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Zundereck (1478 m) und Zunderkopf

Versteckte Steige im Wasserstein

Die zerklüftete, steil aufragende West­flanke des Ester­gebirges steckt voller Über­raschungen. Geübte Berg­wanderer mit einem Hang zur Pfad­finderei können dort abseits der wenigen Haupt­wander­routen waghalsige Jagdsteige, wilde Fels­gräben und nahezu unbekannte Nebengipfel erkunden. Ein Betätigungs­feld für Lieb­haber der Wildnis, jedoch nichts für Genusswanderer.
Stand:

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Zundereck
Auf dem Zundereck ist man meistens allein.

Von unten wirkt die bewaldete Steil­flanke an der Westseite des Ester­gebirges recht unspek­takulär, zumal sie oft im Schatten liegt. Erst aus der Nähe betrachtet enthüllt der Wasser­stein seine wild­romantische Seite. Hinter jeder Ecke des unüber­sichtlichen Geländes bieten sich wieder neue, über­raschende Einblicke auf zerfurchte Schluchten und namen­lose Fels­köpfe. Selten zeigt der Haupt­dolomit derart eindrucks­voll, was für spannende Land­schaften er schaffen kann.
Auf Grund des Namens könnte man vermuten, dass es im Wasser­stein viele Quellen oder Bäche gibt. Doch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, nach ein paar sonnigen Tagen kann es im Wasserstein schnell ziemlich trocken werden. Das hat mit der eher wasser­stauenden Eigenschaft des Haupt­dolomits zu tun, so dass dieses rasch ober­flächlich abfließt. Während der Schnee­schmelze oder bei starkem Regen tropft und läuft es direkt über die Fels­wände herab, genau wie bei der so genannten Nassen Wand weiter südlich. Das gab dem Gebiet wahr­scheinlich seinen Namen. Ebenfalls denkbar wäre ein Zusammen­hang mit den Sieben Quellen im Talgrund. Dann müsste man den Wasserstein als Steinwand über dem Wasser interpretieren.Gipfel im eigentlichen Sinne gibt es im Wasser­stein nicht.Zunderkopf und Zundereck sind letztlich nur kleine Zacken auf dem Kamm, der zum Archtal­kopf hinauf­führt. Der Archtal­kopf selbst wiederum bildet auch keinen richtigen Gipfel. Oberhalb des Zunder­kopfs und im Bereich der Archtal­wand existieren noch einige weitere Grattürme, die allerdings alle keine Namen tragen oder zumindest keinen amtlichen.

Die Steige im Wasserstein und am Zundereck dienen primär der Jagd. Auf Betreiben des Revier­inhabers wurden sie deshalb sogar aus den offiziellen Karten der Bayerischen Vermessungs­verwaltung entfernt. Aus jagd­licher Sicht stellen die Natur­konsumenten eine Störung dar, obwohl dort ohnehin nur relativ wenige unter­wegs sind.
Erstmals einem breiteren Publikum bekannt gemacht hat die Steige eine Veröffentlichung durch den DAV im Magazin alpinwelt 2/2011. Mittlerweile fanden die Touren auch in einigen Wander­büchern Eingang. Die Jäger müssen sich also wohl damit abfinden, dass ihnen das Gebiet nicht mehr völlig allein gehört. Woanders klappt das Miteinander ja auch.

Tourcharakter und Schwierigkeit

1050 hm 14 km5:00 h

Anspruch ■■■■■ T5  I
Kondition ■■■■■■
Orientierung ■■■■■■

Die schmalen, teils überwachsenen, nur notdürftig gesicherten Steige im Wasserstein verlangen absolute Tritt­sicherheit und Schwindel­freiheit. Echte Kletterstellen kommen zwar keine vor, doch das Gelände ist letztlich heikler, als wenn man festen, griffigen Fels in den Händen hält. Keinesfalls bei Nässe und erst recht nicht bei Schnee begehen.
Außerdem muss man sich auf Orientierungs­probleme gefasst machen. Die Positions­bestimmung per GPS funktioniert in dem zerklüfteten Wasserstein leider mehr schlecht als recht. Trotzdem sollte man mit der Technik vertraut sein, um im Notfall seine Koordinaten feststellen zu können. Im Bereich des Zunder­ecks kam es wegen verstiegener und verletzter Wanderer bereits zu Berg­wacht­einsätzen. Dort jemanden ohne Positions­angabe zu lokalisieren, ist schwierig. Am besten vorher die Familie oder Freude über die geplante Route informieren, zwischendrin Rück­meldung geben und idealer­weise die Wanderung nicht allein machen. Auf zufällige Hilfe zu bauen, wäre sehr fahrlässig.

Die Kleidung sollte übrigens möglichst unempfindlich sein, denn wie der Berg­name erahnen lässt, kommt man viel mit Zundern, also Latschen, in Berührung. Da kann es schon mal harzig werden.

Wegbeschreibung

Ins Archtal

Vom Bahnhof ist es nicht weit ins Dorfzentrum von Eschenlohe. Bei der schmucken Pfarr­kirche St. Clemens muss man links und über die Loisach­brücke. Anschließend am besten an die Schilder zum Sport­platz halten, der süd­östlich des Orts an der Urlaine liegt. Hinter dem Sport­platz1 beginnt der bezeichnete Archtal­schlucht­weg. Achtung, nicht unten am Bachbett der Urlaine entlang. Das ist eine Sackgasse. Nach einem kurzen Flach­stück auf den postglaziale Schotter­terrassen der Urlaine klettert der Archtal­schlucht­weg im Zickzack ziel­strebig bergauf. Der dichte Wald gewährt lediglich einmal einen Blick in die gewaltige Archtal­schlucht und hinüber zum weglosen Minecker­grat, ebenfalls eine empfehlens­werte Route für Liebhaber einsamer Touren. Vom Charakter her besitzt der Mineckergrat eine große Ähnlichkeit mit dem Zundereck.

Jagdsteig zum Zundereck

Jagdsteig im Wasserstein
Die Spur ist oft nur fußbreit und windet sich durch sehr gefährliches Gelände. Man beachte den schönen Bestand an aufrechten Berg­kiefern, die anhand ihrer dunkel­grauen Rinde leicht von der Wald­kiefer zu unterscheiden sind.

Auf etwa tausend Metern Höhe kommt ein Absatz, ab dem der markierte Weg ins Archtal2 leicht abfällt. An einem kleinen Fels­brocken wechselt man nach rechts auf einen schwach ausgeprägten Pfad. Bald tauchen an den Bäumen vereinzelt rote Punkte auf. Zunächst orientiert sich die Route an dem breiten Gelände­rücken. Nach vielleicht 200 Höhen­metern schwenkt sie dann in den felsigen Erzgraben3. Auf die alten Draht­seile dort darf man nicht zu sehr vertrauen. Wer an dieser Stelle Probleme hat, sollte umkehren, denn es wird noch schlimmer. Der ab da oft nur mehr fuß­breite Jagd­steig quert erst einmal ohne große Höhen­differenz durch äußerst abschüssiges Terrain. Um die schönen Ausblicke ins Loisachtal gefahrlos zu genießen, am besten jeweils stehen bleiben.

Auf den ersten folgt bald noch ein zweiter weniger tiefer Graben, bevor die unscheinbare Abzweigung zum Zundereck kommt. Dort wächst ein schöner Spirken­bestand. Spirken sind eine Unterart der Berg­kiefer und mit der Latsche verwandt. Anhand ihrer schwarz­grauen Rinde können sie leicht von der Wald­kiefer unterschieden werden.
Der Trampelpfad zum Zundereck schlängelt sich nun einen locker bewaldeten, gras­bewachsenen Hang hinauf. Ein paar Stein­mandl gibt es auch. Schnell wird der Kamm erreicht. Das Zundereck4 liegt ein paar Meter nach links.

Abstecher zum Zunderkopf

Zundereck
Tiefblick über das Zundereck hinab nach Eschenlohe und das Murnauer Moos.

Wer mag, kann vom Zundereck noch einen kleinen Abstecher zum etwas höheren Zunder­kopf5 machen. Der Aufstieg ist dank einer deutlichen Latschen­gasse kaum zu verfehlen. Allerdings lohnt sich der unscheinbare Zunder­kopf nicht wirklich. Besser wandert man auf dem holprigen, teils steilen, ansonsten aber unschwierigen Köppel­steig noch eine Stufe höher zum nächsten Felskopf, der eine deutlich bessere Aussicht als das Zundereck verspricht. Inoffiziell wird die in den Karten namenlose Erhebung Zunderstein genannt, doch möglicher­weise handelt es sich dabei um den eigentlichen Zunder­kopf, denn so ist es im Urpositionsblatt von 1830 eingetragen. Erst in späteren Karten aus dem 20. Jahr­hundert rutschte der Name nach Norden.Der Köppelsteig zieht sich übrigens noch weiter den Grat hinauf bis zum Archtalkopf, wo er dann auf den regulären Wanderweg von der Weilheimer Hütte zur Hohen Kisten trifft. Das wäre auch eine spannende Tour.

Zur Martinihütte

Wasserstein
Aussicht von der Martinihütte in die zerklüftete Welt des Wassersteins.

Wir begeben uns vom Zundereck wieder zurück zu dem quer verlaufenden Jagd­steig. Dieser biegt nun in den dritten Fels­graben, der alle anderen in den Schatten stellt. Er besteht aus zwei Teilen. Während die erste Furche noch relativ unproble­matisch ist, kann man in der zweiten schon ins Schwitzen geraten. Der ausgesetzte Steig folgte einem schmalen Fels­band. Einige Stellen sind abgebrochen. Das in die Jahre gekommene Drahtseil bietet auch keine Sicherheit. Ein Fehltritt kann dort wirklich böse enden.Theoretisch könnte man den dritten Graben auf einer weniger gefährlichen, allerdings sehr schwer zu findenden Route umgehen. Auf der Südseite des oben beschriebenen Zundersteins zweigt vom Köppelsteig ein spärlich erkenn­barer Pfad nach Westen aber, der sich durch die Latschen windet und an einem markanten Fenster endet. Von da kraxelt man ein Stück durch eine fels­durch­setzte Gras­rinne (I) bergab und wechselt aus ihr an geeigneter Stelle nach rechts zu dem bekannten Jagd­steig. Heikel ist vor allem der Einstieg oben durch das Steilgras in die Rinne.Nach dem Ausstieg aus dem dritten Graben verliert der Weg etwas an Höhe, bevor er noch einmal eine letzte Rinne durch­quert. Angesichts des bisher Erlebten ist diese nicht mehr der Rede wert. Kurz darauf taucht die versteckte Martinihütte6 auf. Der für die Jagd errichtete kleine Blockbau steht an einem prächtigen Aussichts­platz. Laut mündlicher Überlieferung heißt die Hütte nach ihrem Erbauer Martin.

Abstieg über die Teufelskapelle

Teufelskapelle
Je nach Perspektive erinnert die Teufelskapelle tatsächlich an eine Kapelle mit Turm.

Von der Martinihütte führt der anspruchs­volle Martinisteig hinauf ins Estergebirge. Eine sehr lohnende Tour, doch wir haben genug für heute und folgen ihm talwärts. In kurzen, engen Serpentinen geht es flott bergab, wobei man bald das markante Fels­gebilde der Teufels­kapelle passiert. Ihren Turm mit Kreuz zu erklimmen, erfordert alpines Kletter­können.
Unten im Schuster­gassenwald7 endet der Steig bei einem gewaltigen Schutt­strom. Er ist nur einer von mehreren, welche sich aus der West­seite des Ester­gebirges ergießen und an ihrem Ende fächer­artige Kegel aufhäufen. Zusammen mit dem Geschiebe der Loisach trugen sie wohl zur Verfüllung des Loisach­tals bei. Das Loisach­tal bildet eigentlich ein tiefes tektonisches Becken, so wie beispiels­weise auch beim Königssee. Der Fels­boden liegt Hunderte Meter unter der heutigen Talsohle.
Rechts des Schutt­stroms leitet uns ein Forst­weg dann hinaus zum Radwanderweg durch das Loisachtal.

Rückweg über die Sieben Quellen

Sieben Quellen
Der Rückweg führt unten im Loisachtal an den wunderschönen Sieben Quellen vorbei, aus denen der Mühlbach entspringt.

Am Ende der langen, fordernden Tour ist man froh über den breiten, gekiesten Talweg nach Eschenlohe. Eine Stunde etwa dauert das noch. Zunächst führt er am Pfrühl­moos entlang, dem Über­bleibsel eines post­glazialen Sees, der einst das gesamte Loisachtal füllte. Nach ein paar Hundert Metern kreuzt der Weg den Schwemm­kegel des Erzgrabens. Den Erzgraben kennen wir bereits von weiter oben. Es gibt in ihm ein unbedeutendes Erzvorkommen. Vom Abbau zeugt das Erzloch8, ein 20 Meter langer Stollen. Vermutlich gaben Erzstücke im Schutt des Grabens den Anlass für den Bergbau. In der Gegend existieren viele, teils sehr alte Gruben. Lukrativ waren sie kaum, doch es sie halfen, den lokalen Bedarf zu decken.
Als Nächstes passiert man die so genannten Sieben Quellen9, aus denen der Mühlbach entspringt. Durch die Stau­wirkung der Eschen­loher Enge tritt dort Grund­wasser zu Tage. Das idyllische Plätzchen an den Quell­tümpeln lädt zu einer letzten Rast ein. Anschließend geht es dann auf einem Teerweg zwischen Viehweiden zurück nach Eschenlohe.