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Wilde Wege um die Hohe Kisten (1922 m)

Martinisteig und Kistenkar

Der überaus ernsthafte Martinisteig durch den Wasserstein südlich von Eschenlohe zieht jeden Berg­liebhaber sogleich in seinen Bann. Hinter jeder Ecke überrascht diese zerklüftete Steilflanke aufs Neue mit ihrer wilden Schönheit. Zusammen mit dem Abstieg durch das Kistenkar bietet die Tour ein wirklich außer­gewöhnliches, sehr einsames Bergerlebnis.
Stand:

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Hohe Kisten
Das Kistenkar ist im oberen Bereich unglaublich steil und schroff.

Die Wege hinauf ins Estergebirge sind alle­samt ein hartes Stück Konditions­arbeit. Viele Höhen­meter, steile Passagen sowie lange Strecken sind zu bewältigen.
Das gilt auch für den Martinisteig, einer anspruchs­vollen Route, die haupt­sächlich von Einheimischen genutzt wird und direkt ins Zentrum des Estergebirges führt.
Oben gäbe es neben der hier vorgeschlagenen Hohen Kisten natürlich noch weitere Gipfel­optionen, wie beispiels­weise den Krottenkopf oder den Oberen Rißkopf.
Als Rückweg von der Hohen Kisten bietet sich das Kistenkar an, eines der eindrucks­vollsten Kare der Bayerischen Alpen. Sicher lag darin nach dem Ende der Würm-Kaltzeit noch lange ein Lokal­gletscher. Der Abstieg durch das Kistenkar ist der schnellste und mit seiner wilden Fels­kulisse zugleich land­schaftlich sehr lohnend. Wer aber darauf hofft, die Schutt­reisen im Kar abfahren zu können, wird enttäuscht. Das Material ist dafür einfach zu stark verfestigt.

Hinweis: Der Martinisteig dient der Jagd. Bergtouristen, vor allem größere Gruppen, sind während der Jagdsaison (August bis Spätherbst) vom Revierinhaber nicht gern gesehen.

Tourcharakter und Schwierigkeit

1400 hm 17 km7:10 h

Anspruch ■■■■■ T5  II-
Kondition ■■■■■
Orientierung ■■■■■

Für schwache Nerven wurde der schmale, exponierte Martini­steig definitiv nicht angelegt. Ohne solide Berg­erfahrung und Übung mit Steilgras­schrofen könnte es dazu kommen, dass man sich weder vor noch zurück traut. Fast der gesamte Steig erfordert höchste Konzentration, damit kein Fehltritt passiert. Die Orientierung per GPS funktioniert wegen des zerklüfteten Geländes nur bedingt. Dennoch sollte man wissen, wie man seine Koordinaten feststellt. Die Bergwacht tut sich dort sehr schwer, verstiegene oder verletzte Wanderer zu lokalisieren.

Nicht ganz ohne ist auch der Abstieg durch das Kistenkar. Insbesondere der schrofige Einstiegs­bereich über dem Kar erweist sich als heikel. Es kam dort schon zu tödlichen Abstürzen.
Der Archtalschluchtweg vom Kistenkar durch das Archtal scheint kaum mehr gepflegt zu werden und verfällt zusehends. Doch wer den Martini­steig geschafft hat, für den sollte das kein Problem mehr darstellen.

Bitte beachten, dass die Tour bei Nässe sehr gefährlich wird. Wenn noch mit Schnee­resten zu rechnen ist, am besten ganz meiden.

Wegbeschreibung

Anmarsch von Eschenlohe

Loisachtal
Zwischen Eschenlohe und Oberau erstreckt sich entlang der Loisach das ökologisch wertvolle Pfrühlmoos.

Bevor es bergwärts geht, marschiert man ca. eine Stunde von Eschen­lohe Richtung Oberau. Im Dorf­zentrum führt eine Brücke über die Loisach. Auf der anderen Seite rechts in die Mühl­straße und nach Süden aus dem Ort hinaus. Dem breiten Radwander­weg folgend, läuft man an den malerischen Sieben Quellen1 vorbei und am Rand des Pfrühlmooses entlang.
Nach einiger Zeit kreuzt der Radwanderweg hinter einem deutlichen Linksknick einen auffälligen Schutt­kegel, der von einem gewaltigen Schuttstrom gespeist wird. Diese Schutt­ströme sind typisch für die Westflanke des Estergebirges, das dort aus sprödem Hauptdolomit besteht. Noch vor dem zweiten Schuttkegel biegt man dann beim so genannten Schustergassen­wald2 in einen Forstweg ein, welcher schon bald am südlichen der beiden Schuttströme endet.

Zur versteckten Martinihütte

Martinihütte
Die Martinihütte steht gut versteckt auf einem der raren ebenen Absätze im Wasserstein.

Direkt an den Forstweg schließt sich der Martini­steig3 an. Der schmale Steig legt sofort ordentlich los und es wird schnell klar, dass er nicht für den gemütlichen Wanderer gedacht ist. Rote Markierungs­punkte begleiten uns von nun an durch den Wasser­stein bis zur Karst­hoch­fläche des Ester­gebirges. Nach den ersten Serpentinen wird die markante Teufels­kapelle an ihrer Südseite passiert. Ein Stück weiter taucht bereits die versteckte Martini­hütte4 auf. Die nach ihrem Erbauer benannte Blockhütte steht auf einem kleinen Absatz mitten in der Wassersteinwand. An der Hütte verzweigen sich die Steige. Links ginge es zum Zundereck, ebenfalls eine recht wilde Tour. Wir müssen rechts.

Martinisteig ins Estergebirge

Martinisteig
Ausblick oberhalb des gefähr­lichsten Steilstücks in der Wasser­stein­wand hinaus nach Eschen­lohe, zum Mühlbach und dem Pfrühl­moos. Die Teufels­kapelle ist links neben den beiden abgestorbenen Fichten zu sehen.

Von der Martinihütte quert der fußbreite Martini­steig erst einmal durch äußerst abschüssige Grashänge grob süd­west­wärts. Dabei überwindet er geschickt mehrere felsige Rinnen. An einem Abbruch dreht die Route nach links und zieht sich über steile Gras­schrofen empor. Jeder Tritt muss doppelt sitzen. So geht es vielleicht 200 Höhen­meter, bis ein flacherer Rücken für Entspannung sorgt. Auf diesem in einer Latschen­gasse, die offenbar auch von Gämsen gerne genutzt wird, stetig höher. Zwischendrin den roten Pfeil an einer Felswand beachten, der nach rechts in die Flanke hineinweist. Links handelt es sich wohl um einen Gams­wechsel. Etwas später erneut aufpassen und in der Mitte einer Gras­fläche rechts halten, auch wenn die Spur gerade­aus zu verlaufen scheint. Die roten Punkte weisen den richtigen Weg, so dass man genau am Sattel5 zwischen Oberem Rißkopf und Schindlerskopf herauskommt.

Zur Hohen Kisten

Angerlboden und Michelfeld
Die verkarstete Hochfläche des Estergebirges mit dem Angerlboden und dem Michelfeld. Die Spitze ganz links ist die Hohe Kisten.

Einige Meter unterhalb des Sattels am Schindlers­kopf trifft man auf den meist recht belebten Wanderweg von der Weilheimer Hütte. Wer nun lieber den höchsten Gipfel des Ester­gebirges besteigen möchte, hätte nicht mehr weit zum Krottenkopf. Zur Hohen Kisten geht es dagegen links. Im Osten breitet sich unter uns die karge Karst­land­schaft des Angerl­bodens und Michel­felds aus. Wasser versickert dort sogleich in den zahllosen Spalten und Klüften.
Bei nahezu gleichbleibender Höhe führt der Steig in einem weiten Bogen am Archtalkopf vorbei zur Hohen Kisten hinüber. Von der Scharte über dem Kistenkar gelangt man zuletzt in wenigen Minuten auf den Gipfel6. Dieser überrascht mit einer wirklich schönen Aussicht, insbesondere in die Walchenseeberge.

Abstieg durch das Kistenkar

Der Einstieg ins Kistenkar beginnt an der erwähnten Scharte westlich des Gipfels. Mehrere Gedenk­tafeln verdeutlichen die Ernsthaftigkeit.Einfacher, aber deutlich länger wäre der Abstieg durch das Pustertal, welches sich nordöstlich der Hohen Kisten erstreckt.Bei der Schrofenkletterei (II-) über dem Kisten­kar hält man sich im Sinne des Abstiegs rechts. Die Rinne linker Hand unbedingt meiden! Danach im Geröll den Steinmandln folgend stets leicht nach links orientieren. Im mittleren Karbereich7 ist es teil­weise möglich, ein Stück abzufahren, wobei man sich die geeigneten Bahnen suchen muss. Weiter unten schwenkt die Spur nach links und kreuzt zwei schmale Latschenstreifen.

Archtalschluchtweg

Nach dem Kistenkar tauchen wir im Archtal8 dann in einen schönen Berg­misch­wald ein. Mehrere Runsen rissen leider Teile des Archtal­schluchtwegs mit sich. Diese Stellen sind recht blöd zu queren. Am Ende des Archtals bei den Abzweigungen jeweils rechts halten. So kommt man schließlich beim Sport­platz9 an der Urlaine heraus. Von da ist es nicht mehr weit bis nach Eschenlohe, wo wir uns ja schon auskennen.