Rotwandlspitze (2192 m) und Brunnensteinspitze
Einsamer Aufstieg über das Feichtl
Wild und rau ist die Panoramawanderung zur Rotwandlspitze und Brunnensteinspitze bei Scharnitz. Typisch Karwendel eben. Von den verschiedenen Aufstiegen reizt besonders die nahezu unbekannte Route über das Feichtl, eine karge Felslandschaft auf der Ostseite des Brunnensteins. Dort wachsen nicht einmal Latschen, so dass man von Anfang an eine fantastische Aussicht genießt. Der Abstieg erfolgt über den beliebten Birzelgrat oder Pürzlgrat.
Stand:

Die beeindruckende Felswüste des Feichtls ist das Ergebnis einer Naturkatastrophe. Das südliche Karwendel, aber auch das Wettersteingebirge werden immer wieder von verheerenden Waldbränden heimgesucht. Wegen der häufigen Föhnlagen sind die Wälder im Inntal und seinen Seitentälern oft sehr trocken. Die warmen Föhnwinde fallen in das Inntal ein und strömen weiter über Scharnitz, Mittenwald und Garmisch ins Alpenvorland. Bei Bodenuntersuchungen auf der Westseite des Brunnensteins wurden insgesamt sechs Brandschichten aus den letzten 6000 Jahren gefunden. Wahrscheinlich waren es noch mehr. Denn allein für das 20. Jahrhundert sind im Raum Scharnitz mindestens zehn Waldbrände dokumentiert. Einer davon ereignete sich 1942 am Feichtl.Bis heute liegen am Feichtl noch vereinzelt verkohlte Holzreste zwischen dem Geröll herum.Abgesehen von ein paar wenigen Latschen ist die Fläche kahl geblieben. Vor dem Brand wuchsen dort vermutlich Fichten. Feichtl bezeichnet ja eigentlich einen Ort, an dem Fichten stehen. Mit feucht hat Feichtl nichts zu tun, auch wenn man das immer mal wieder liest. Überwiegend dürfte die Flanke allerdings mit Latschen bedeckt gewesen sein.
Der Name der Rotwandlspitze wiederum stammt von der Roten Wand auf der Westseite oberhalb des Schuttstroms der Roßlahne. Eine rote Färbung im Wettersteinkalk ist normalerweise auf Eisenoxideinlagerungen zurückzuführen. Die Brunnensteinspitze schließlich wurde nach einer Örtlichkeit am Talboden nördlich von Scharnitz benannt. Dort gab es am Brunnenstein wohl eine mittlerweile versiegte Quelle.
Museumstipp: Das liebevoll gestaltete Museum Holzerhütte am Parkplatz Länd befasst sich mit der Holznutzung früher und heute. Besonders im Fokus steht die Holzbringung im Gleirschtal. Die vier Ausstellungsräume sind in einer original erhaltenen Holzerhütte aus dem Gleirschtal untergebracht.
Tourcharakter und Schwierigkeit
Sowohl im Aufstieg als auch im Abstieg sind einige Kletterstellen im I. Grad zu bewältigen. Das Gelände ist überwiegend steil, jedoch kaum ausgesetzt. Im Feichtl existiert nur teilweise eine erkennbare Steigspur. Zum Glück wurde die Route perfekt markiert. Trotzdem sollte man sie nicht bei schlechter Sicht unternehmen.
Am besten wartet man ab, bis kein Schnee mehr liegt. Die abschüssige Flanke im Feichtl könnte sonst zur lebensgefährlichen Rutschbahn werden oder man versteigt sich in heikles Gelände, weil die Markierungen verdeckt sind. Außerdem möglichst keinen zu heißen Tag wählen, denn man ist der Sonne über weite Strecken schutzlos ausgesetzt. Die Tour ist ohnehin schon anstrengend genug. Unbedingt genug zum Trinken mitnehmen!
Wegbeschreibung
Zur Birzelkapelle
Vom Bahnhof Scharnitz läuft man zunächst ein paar Hundert Meter an der Innsbrucker Straße entlang bis kurz vor die Isarbrücke. Dort wie beschildert links in eine schmale Straße biegen, die sogleich das Bahngleis überbrückt. Auf der anderen Seite erneut links. Zwei Häuser weiter beginnt der Steig über die Adlerkanzel zur Brunnensteinspitze. Wir nehmen den rechten zur Birzelkapelle. Er quert erst leicht ansteigend durch den Hang, kreuzt dann einen Graben und folgt kurz einem Rücken. Über einer spitzen Wegbiegung befindet sich ein Aussichtspunkt mit Rastbank. Ringsum wächst ein hübscher Kiefernwald. Gleich darauf steht auf einer Lichtung die schmucklose Birzelkapelle1.
Autofahrer haben es etwas kürzer. Sie überqueren beim Parkplatz die Isar. Drüben aufpassen und nicht dem Karwendeltalweg nach Osten folgen, sondern geradeaus im Ortsteil Inrain die steile Straße bergauf Richtung Birzelkapelle.
Aufstieg durch das Feichtl

Nur wenige Meter hinter der Birzelkapelle muss man auf einen unscheinbaren Pfad abzweigen, den man leicht übersehen kann. Der Wegweiser dort sah sicher auch schon bessere Zeiten. Umso mehr überrascht die hervorragende Markierung, welche aber auch dringend notwendig ist. Sie leitet uns auf einer schlecht erkennbaren Spur zwischen den Bäumen hindurch, wobei der dichte Mischwald schnell einem lockeren Kiefernbestand weicht. Wenig später kreuzt der mittlerweile deutlichere Steig eine Sandreise und wird dann zunehmend steiler mit einer kleinen Kraxeleinlage (I) über plattige Felsen.

Bald treten die letzten Latschen zurück und voraus erstreckt sich am Feichtl2 eine erstaunliche Steinwüste aus Schotter und verkarsteten Felsen. Nur ganz vereinzelt existieren darin kleine Latschengruppen. Man muss nun wirklich strikt auf die Markierungen achten und darf sich von den Gamswechseln nicht irritieren lassen. Der Aufstieg zieht sich eine ganze Weile, teils mühsam im Geröll, teils auf festem Untergrund. Bisweilen lohnt ein Blick zurück, denn im Süden taucht hinter dem grünen Zäunlkopf die Erlspitzgruppe auf.
Gegen Ende kommt ein größeres Latschenfeld. Dahinter quert die dünne Spur durch eine steinige Grasflanke. Zuletzt laufen wir weglos links hinauf zur winzigen, leider geschlossenen Tiroler Hütte3. Sie steht auf einem Absatz unter der Rotwandlspitze.
Rotwandlspitze und Brunnensteinspitze

An der Tiroler Hütte führt ein breiter Weg vorbei, der sich über schöne alpine Rasen zur Rotwandlspitze hinaufschlängelt. Während man am Feichtl normalerweise ganz allein unterwegs ist, wird es ab der Tiroler Hütte belebter. Dort stoßen Wanderer von der Brunnsteinhütte (DAV) und vom Mittenwalder Höhenweg hinzu.
Von der Rotwandlspitze sind es dann nur mehr wenige Minuten über den etwas luftigen Grat zur Brunnensteinspitze4. Wenn viel los ist, rastet man besser auf der Gipfelkuppe der Rotwandlspitze, weil es auf der Brunnensteinspitze kaum Platz gibt. Das Panorama ist von beiden Gipfeln fantastisch.
Abstieg über den Birzelgrat

Von der Brunnensteinspitze zieht sich eine Schotterspur den Südgrat hinab. Schnell tauchen erste Latschen auf, hinter denen eine Wand (I) abbricht. Die Markierungen leiten sicher über die paar Klettermeter. Vorsicht, auf den Felsen liegt Rollsplitt herum. Danach geht es durch abschüssiges Gelände und auf bröseligem, rutschigem Untergrund weiter abwärts. Im Bereich des unscheinbaren Brunnensteinkopfs5 wird es bald einfacher. Der Steig schlängelt sich nun lange Zeit am Birzelgrat, auch Pürzlgrat genannt, durch die Latschen. Wenn nachmittags die Sonne reinbrennt, schlaucht das selbst im Abstieg. Erst gegen Ende wird es schattiger. Der Steig bleibt bis ins Tal steil und holprig.