Boschet-Rundweg und Wetzsteinbrüche
Talwanderung bei Ohlstadt
Diese landschaftlich sehr vielseitige Wanderung führt zu den interessantesten Orten rings um Ohlstadt, darunter das bucklige Bergsturzgelände am Boschet, die Kaltwasserfälle und die ehemaligen Wetzsteinbrüche. Malerische Kapellen und Kirchen liegen auf dem Weg sowie eine rekonstruierte Schleifmühle. Außerdem gibt es ein paar schöne Aussichtspunkte.
Stand:

Viele kennen Ohlstadt vor allem als Ausgangspunkt für die Besteigung des Heimgartens. Dabei hat die Gegend weit mehr zu bieten als diesen zwar sehr lohnenden, jedoch oft auch heillos überlaufenen Münchner Hausberg.
Also warum nicht einmal eine gemütliche Runde im Tal drehen, wo deutlich weniger los ist? Es gibt nämlich wirklich einiges zu entdecken.
Gleich zu Beginn der Wanderung begeistert die bucklige Landschaft am Boschet. Das kleine verstecktes Naturparadies wird häufig übersehen. Anders die Kaltwasserfälle, denn sie liegen auf dem Weg zum Heimgarten. Ein Schattendasein führten lange Zeit die Wetzsteinbrüche und der Ohlstädter Wasserfall. Mit dem 2021 eröffneten Themenweg Das Erbe der Wetzsteinmacher wird diese Ecke in Zukunft sicher mehr Aufmerksamkeit erhalten. Auf dem Rückweg kann man zuletzt noch bei dem idyllisch gelegenen Fieberkircherl, der Teufelssäule und dem Toteisloch Hatzenbichl vorbeischauen. Damit ergibt sich eine von Anfang bis Ende erlebnisreiche Tour, bei der für jeden etwas dabei ist.
Tourcharakter und Schwierigkeit
Die Wanderung verläuft auf überwiegend breiten, befestigten und gut beschilderten Wegen. Sie eignet sich damit ganzjährig und auch für eher durchwachsenes Wetter. Lediglich auf den optionalen Abstechern zu den Kaltwasserfällen sowie zu den unbezeichneten vorderen Wetzsteinbrüchen wird etwas Trittsicherheit benötigt. An einigen Stellen kann es batzig sein.Falls einem die Strecke mit dem mehrmaligen Bergaufsteigen auf einmal zu weit erscheint, man kann den Boschet-Rundweg und den Wetzsteinweg zu den Brüchen auch in zwei separate Wanderungen aufteilen.
Wegbeschreibung
Naturlehrpfad zur Boschetkapelle

Vom Bahnhof Ohlstadt erreicht man den Beginn des Boschet-Rundwegs in ein paar Minuten. Am besten zunächst dem Bahnhofweg folgen. Drüberhalb der Kreisstraße dann an der Kaltwasserlaine entlang. Zwischen Freibad und Tennisplatz zweigt rechts der Lehrpfad ins Boschet ab. Dort steht auch bereits die erste Infotafel.
Das erhöhte Gelände im Boschet zeugt von einem Bergsturz gewaltigen Ausmaßes. Im vorderen Teil wurden die Buckel zur besseren Bewirtschaftung eingeebnet. Der hintere Teil ist noch original.
Dank der extensiven Weidenutzung ist das Boschet sehr artenreich. Durch die Buckel gibt es sowohl sonnige, trockene als auch schattige, feuchte Stellen. Viele Arten von Schmetterlingen, Heuschrecken und sogar Fledermäusen finden dort einen Lebensraum.
Höhepunkt des Rundwegs ist die malerische Boschetkapelle1. Eine Infostele des Meditationswegs berichtet, was es mit der schwarzen Madonna darin auf sich hat. Erbaut wurde die Boschetkapelle 1640 aus Dankbarkeit darüber, dass die Schweden Ohlstadt verschont hatten.
Hinter der Kapelle hält man sich bei der ersten Gelegenheit links und trifft bald auf eine Kiesstraße. Auf dieser erneut links.
Zu den Kaltwasserfällen

Nach Verlassen des Boschets wandern wir einige Zeit auf wechselnden Wegen Richtung Nordosten zur Kaltwasserlaine. Stets leicht ansteigend geht es am Waldsaum entlang und über Viehweiden. Bei der Kaltwasserlaine zuerst die Stufen zum Bach hinab und dann rechts über die Brücke. Es sind nur ein paar Minuten zu den mehrstufigen Kaltwasserfällen2, an denen große Sturzblöcke umherliegen.
An der dritten Brücke kehrt man wieder um. Der Steig würde weiter zur Veste Schaumburg und über die Bärenfleckhütte zum Heimgarten führen.
Schleifmühle Ohlstadt

Von den Kaltwasserfällen laufen wir nun erst einmal bachabwärts. An der Kaltwasserlaine standen früher die wasserbetriebenen Schleifmühlen für die Verarbeitung des Rohmaterials aus den Brüchen zu fertigen Wetzsteinen. Die Mühlen liefen vor allem während der Schneeschmelze. Im Gegensatz zu denjenigen an der Unterammergauer Schleifmühlenlaine blieb keine einzige erhalten.
Unten in Ohlstadt geht es beim Parkplatz in die Wankstraße, wo nach wenigen Metern eine originalgetreu rekonstruierte Schleifmühle3 mit kleiner Freilichtausstellung steht. Die Ohlstädter bauten die Mühle in mehrjähriger Arbeit. Sie ist voll funktionsfähig. Angetrieben wird sie vom Dorfbach.
Hagrainkapelle der Wetzsteinmacher
Der Simmersbergweg leitet uns von der Schleifmühle nordöstlich aus dem Ort hinaus. Bald passieren wir die renovierte Hagrainkapelle4 von 1765, an der die Wetzsteinmacher vor der gefährlichen Arbeit in den Brüchen beteten. Kapellen errichteten die Wetzsteinmacher auch in den Ammergauer Alpen, teils recht abgelegen, weil dort viele Brüche weit entfernt lagen.
Der Ursprung der oberbayerischen Wetzsteinherstellung liegt vermutlich in Ohlstadt, wo es große Vorkommen des dafür geeigneten quarzhaltigen Gesteins gibt. Die Geologen sprechen von der Ammergau-Formation, den Ammergauer Schichten oder den Aptychenschichten. Aptychen sind fossile Unterkiefer von Ammoniten, die in diesem Gestein massenhaft auftreten. Für die Wetzsteine nutzte man die dünnen Zwischenlagen mit den kieseligen Radiolarien, die sich sehr gut zum Schleifen und Schärfen von Metallklingen eignen. Alternativ ist auch Quarzsandstein verwendbar. Am Högl im Rupertiwinkel produzierten die Menschen daraus in geringerem Umfang ebenfalls Wetzsteine.
Gebraucht wurden die Wetzsteine vor allem in der Landwirtschaft zum Nachschärfen der Sensen während der Mahd.
Der Abbau begann bei Ohlstadt wohl bereits im Mittelalter. Später gelangte das Wissen nach Unterammergau, Halblech und Schwangau. Am Schartenköpfel bei Unterammergau liegen die umfangreichsten Brüche. Die Ohlstädter gruben im Lauf der Jahrhunderte einen ganzen Berg um, hinterließen tiefe Löcher, instabile Wände, weitläufige Halden und Trassen für den Abtransport des Materials mit Loren. In den 1950er Jahren hörten die letzten Wetzsteinmacher auf. Der Wald eroberte das Gelände zurück.
In die Wetzsteinbrüche

Gleich hinter der Hagrainkapelle wäre rechts ein Abstecher in den unbekannten vorderen Wetzsteinbruch5 möglich. Der verwilderte Zustieg ist nicht beschildert. Man muss rechts über eine Wiese und findet im Wald einen trassierten Weg. Dieser endet unter einem hohen Wall, über den wahrscheinlich die Loren mit dem Abraum geschoben wurden. Am besten läuft man am Fuße des Walls durch die feuchte Mulde, bis man an geeigneter Stelle rechts hinaufsteigen kann. Der Steinbruch ist über einen Durchstich zugänglich. Dieser wurde mit zunehmender Tiefe des Abbaus nötig. Innen unbedingt von den steinschlaggefährdeten Wänden fernhalten.
Wetzstein-Themenweg

Zurück vom ersten Wetzsteinbruch folgen wir nun an der Gabelung bei der Hagrainkapelle links dem Themenweg mit zahlreichen Schautafeln und netten Rastplätzen ins zweite, noch größere Abbaugebiet.
Dadurch, dass alles stark überwachsen ist, sind die riesigen Dimensionen nur schwer erfassbar. Unter anderem gibt es Reste der so genannten Kalter zu sehen, in denen das Rohmaterial feucht und sicher vor Frost bis zum Abtransport zu den Schleifmühlen lagerte. Wie die Schautafeln berichten, waren gerade einmal fünf Prozent des Gesteins brauchbar. Die Arbeit war sehr hart. Manche Arbeiter starben frühzeitig an einer Staublunge. Auch tödliche Unfälle durch Steinschlag kamen vor. Von einem Aussichtspunkt aus bietet sich ein eindrucksvoller Blick auf die über 50 Meter hohe Abbauwand.
Ohlstädter Wasserfall

Bevor es wieder aus dem ehemaligen Abbaugebiet hinausgeht, lohnt sich noch ein kurzer Abstecher zum Ohlstädter Wasserfall6. Der Weg ist beschildert. Der Wasserfall befindet sich in einem Felskessel an der Schichtgrenze zwischen der Ammergau-Formation und dem Hauptdolomit. Es wäre denkbar, dass der Felsabbruch am Wasserfall zumindest teilweise durch die Abbautätigkeit entstand.
Zurück folgt der Steig dem Bachlauf, dann geht es über eine kleine Lichtung, hinter der man wieder auf den breiten Kiesweg von vorhin trifft.
Fieberkircherl

Schlägt man bei der Gabelung nach den Brüchen den rechten Weg westwärts entlang der mäandernden Wetzsteinlaine ein, kommt man bald an das Fieberkircherl7. Leider ist es normalerweise geschlossen.
Dass das Fieberkircherl ein Stück vom Dorf entfernt steht, hat seinen Grund. Vermutlich lag dort einst der Ohlstädter Pestfriedhof. Aus Angst vor Ansteckung und weil es auf den regulären Friedhöfen für die vielen Pesttoten oftmals nicht genug Platz gab, wurden diese außerhalb der Ortschaften in Massengräbern bestattet.
Im Jahr 1634, mitten in den Wirren des Dreißigjährigen Kriegs, wütete in Bayern wieder einmal eine schreckliche Pestepidemie, eine der verlustreichsten überhaupt. Verbreitet wurde der Erreger wohl vor allem durch umherziehende Soldaten. Geschwächt von den langen Märschen, den schlechten hygienischen Bedingungen in den Heerlagern und einer Mangelernährung waren sie besonders anfällig für Krankheiten. Über Einquartierungen griff die Pest auch auf die Zivilbevölkerung über. Ohlstadt verlor fast ein Viertel seiner Bewohner. In Erfüllung eines Gelübdes errichteten die Ohlstädter nach dem Ende der Seuche das Fieberkircherl.
Teufelssäule
Gut hundert Meter nördlich des Fieberkircherls gibt es noch eine Besonderheit. Inmitten alter Linden steht dort die so genannte Teufelssäule. An dem idyllisch anmutenden Platz kam laut Tafel im Jahr 1668 ein gewisser Pater Miller aus dem Augustiner-Chorherrenstift Schlehdorf vorbei. Er war nach Ohlstadt zu einem Mann gerufen worden, der im Sterben lag. Wo heute die Teufelssäule steht, soll der Pater eine Begegnung mit dunklen Mächten gehabt haben, die ihn an der Weiterreise hindern wollten. Er bat die Heilige Maria um Hilfe und gelobte die besagte Gedenksäule zu errichten. Der Legende nach wies ihm ein Wunderbild der Jungfrau den Weg.
Die letzte Station auf unserer Rundwanderung wäre nun das Toteilsloch am Hatzenbichl. Wer sich dafür nicht interessiert, kann abkürzen und dem Weg an der Wetzsteinlaine Richtung Weichs folgen.
Toteisloch Hatzenbichl

Der Hatzenbichl8 liegt einige Hundert Meter nördlich des Fieberkircherls. Man nimmt dazu den Weg von der Teufelssäule bis zur ersten Abzweigung auf der linken Seite. Der bewaldete Bichl fällt schon von Weitem auf. Im Hatzenbichl gibt es ein sieben Meter tiefes Toteisloch und zwei kleinere. Am Ende der letzten Kaltzeit blieben an dieser Stelle einige Eisblöcke des abschmelzenden Loisach-Gletschers zurück. Solche Eisreste, die keine Verbindung mehr zum Gletscher besitzen, heißen Toteis. Für die Schmelzwasserbäche bildete das Toteis offenbar ein Hindernis, so dass ringsum Schotter abgelagert wurde. Auf diese Weise entstand mitten in der Ebene der Hügel mit seinen Vertiefungen.