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Wolfsschlucht und Mühlsteinbruch Hinterhör

Kulturwanderung bei Neubeuern

Zwei außer­gewöhnliche Geotope stehen bei dieser Wanderung zur Neubeurer Wolfsschlucht und zum Mühlsteinbruch Hinterhör auf dem Programm. Sehenswert ist auch Neubeuern selbst mit dem herausgeputzten Marktplatz, dem Schloss und dem alten Bergfried. All das liegt eingebettet in eine malerische Voralpen­landschaft, durchflossen vom mächtigen Inn und mit der Alpensilhouette im Hintergrund.
Stand:

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Neubeurer Wolfsschlucht
Die Wolfsschlucht im Schlossberg von Neubeuern wirkt mit ihren moosbewachsenen Wänden wie eine natürliche Schlucht, ist in Wirklichkeit aber ein ehemaliger Steinbruch.

Die Neubeurer setzten beim Bauen auf einen regionalen Rohstoff und gewannen ihre Mauer­steine aus den Steinbrüchen direkt am Schlossberg. Im Nordteil des Schlossbergs entstand im Lauf der Jahrhunderte durch den selektiven Abbau bestimmter Gesteins­schichten die bis zu 30 Meter tiefe und fast 300 Meter lange Neubeurer Wolfsschlucht. Die eindrucksvolle Kluft bildet eine überregional bekannte Touristen­attraktion.Das Bayerische Landesamt für Umwelt ordnet die Wolfsschlucht als besonders wertvolles Geotop ein, die höchst­mögliche Einstufung.Für Neubeuern besaßen die Steinbrüche eine große wirtschaftliche Bedeutung. Wichtiger als die Mauersteine, die wohl eher als Nebenprodukt abfielen, war die Herstellung von Schleif­steinen und Mühlsteinen. Diese wurden nicht nur aus der Wolfsschlucht, sondern auch im Mühlsteinbruch Hinterhör und noch einigen weiteren Brüchen gefördert. Die begehrte Ware gelangte von Neubeuern per Schiffszug über den Inn und die Donau bis in ferne Städte.

Für die Produktion von Mühlsteinen gut geeignet war ein bei Neubeuern in mehreren Vorkommen auftretender harter Kalksandstein. Sämtliche Mühlstein­brüche gehören geologisch zum Helvetikum, das am Alpennordrand in einem schmalen Streifen und einzelnen Inseln vorliegt. Die Gesteine des Helvetikums wurden auf dem europäischen Schelf abgelagert, im Gegensatz zu dem aus der Tiefsee und vom afrikanischen Schelf stammenden Kalkalpin.Mühlsteine bestanden früher übrigens häufig aus Sandstein, was sich negativ auf die Zahn­gesundheit der Menschen auswirkte.Durch den Abrieb beim Mahlen enthielt das Mehl immer auch Sand. Das führte zu einer starken Abnutzung der Zähne bereits in jungen Jahren. Das Problem ist archäologisch gut dokumentiert. Es setzte mit dem Beginn des Ackerbaus in der Jungsteinzeit ein und dauerte bis weit in die Neuzeit an.

Die zweite wichtige Einnahmequelle neben den Steinmetz­arbeiten war für Neubeuern die Inn­schifffahrt. Erst mit dem Ausbau des Eisenbahn­netzes verlor die nasse Straße an Bedeutung. Letztlich hingen die Steinbrüche und der Inn eng miteinander zusammen. Details dazu erfährt man auf dem Schiffleut­wanderweg. Neubeuern lag für die Schifffahrt günstiger, als es heute den Anschein hat. Denn vor der Begradigung floss ein Seitenarm des Inns direkt unterhalb des Marktplatzes vorbei, wo sich die Anlegestelle befand. Wen das Thema interessiert, sollte das Innschifffahrtsmuseum am Marktplatz besuchen. Ausgestellt ist darin unter anderem das Modell eines kompletten Schiffszugs.

Tourcharakter und Schwierigkeit

200 hm 14 km3:00 h

Anspruch ■■■■■ T1
Kondition ■■■■■■
Orientierung ■■■■■■
Die Wanderung ist ausgesprochen gemütlich und sehr einfach. Nur für den steilen Aufstieg zum Burgstall Althaus benötigt man etwas Trittsicherheit. Wer am Bahnhof in Raubling startet und nicht erst direkt in Neubeuern, hat zwar einige Kilometer mehr zu laufen, dennoch reicht ein halber Tag in jedem Fall aus.
Zum Teil verläuft die Runde auf dem Neubeurer Schiffleut­wanderweg, jedoch auch auf anderen Wanderwegen, so dass man mit der Orientierung ein bisschen aufpassen muss.

Wegbeschreibung

Zur Innbrück bei Neubeuern

Inn-Altwasser
Entlang des Inns liegen viele Altwasser, die bei der Begradigung übrig blieben. Manche sind wertvolle Biotope, andere werden als Badeseen genutzt.

Beim Bahnhof in Raubling am besten gleich bei der Fußgängerampel über die Kufsteiner Straße, an der es dann gut hundert Meter entlanggeht. Anschließend in die Innstraße biegen, von der man schon nach ein paar Metern rechts aus dem Ort hinausläuft. Dort bietet sich sogleich ein großartiger Blick auf die Berge. Im Osten steht das Kranzhorn, im Westen der Wildbarren und in der Ferne ist sogar das Kaisergebirge zu sehen.
Der Spazierweg leitet uns nun in wenigen Minuten zu einem Pumpwerk1, das an einem ehemaligen Seitenarm des Inns liegt. Das Pumpwerk dient dem Hochwasser­schutz. Ein kleines Stück südlich des Pumpwerks müssen wir über den Litzldorfer Bach. Drüben aufpassen und nicht dem Bach folgen, sondern links auf dem Damm neben dem Altwasser zur Neubeurer Straße. Von da ist es nicht mehr weit zur eleganten Innbrücke2.

Steinerner Schiffsmo

Steinerner Schiffsmo
Skulptur des Künstlers Robert Spannagel an der Innbrücke zwischen Raubling und Neubeuern.

Auf der anderen Seite des Inns haben wir den Straßen­lärm überstanden. Bei der Skulptur vom Steinernen Schiffsmo beginnt der oben erwähnte Schiffleut­wanderweg. Das von Robert Spannagel angefertigte Kunstwerk wurde zur Einweihung der neuen Brücke aufgestellt. Es besteht aus Nagelfluh, die aus dem nicht weit entfernten Steinbruch an der Biber in Brannenburg stammt.
Die Bibernagelfluh ist sehr dekorativ. Sie enthält hauptsächlich farbenfrohe kristalline Kieselsteine aus den Zentralalpen, die der Inn von dort mitbrachte. Früher nutzte man die Nagelfluh der Biber vorwiegend für Mühlsteine, heute findet sie im Bauwesen als dekorativer Naturstein Verwendung.

Schiffleutwanderweg zum Plättenstadel

Wir halten uns nun zunächst an den Schiffleutweg und wandern flussaufwärts. Nach wenigen Minuten zweigt die erste Etappe des Themenwegs spitz links zum Neubeurer Ortsteil Altenmarkt ab. Bei den ersten Häusern von Altenmarkt erneut links wenden. Das ist zwar ein kleiner Umweg, aber so kommt man am Plättenstadel3 vorbei. Die ausgestellte Plätte diente einst in Kiefersfelden als Personenfähre. Es gab früher nur wenige Brücken über den Inn, so dass die Menschen den Fluss normalerweise per Fähre überquerten. Zwischen Kiefersfelden und Ebbs verkehrt im Sommerhalbjahr übrigens noch eine traditionelle Innfähre. Wer das einmal ausprobieren möchte, es lohnt sich.

Neubeurer Wolfsschlucht

Neubeurer Wolfsschlucht
Die Durchgangshöhle in der Neubeurer Wolfsschlucht entstand durch einen Felssturz.

Nach dem Schlenker über den Plättenstadel geht es die Straße Am Gasteig Richtung Marktplatz hinauf. Gasteig heißt so viel wie gacher Steig. Nach 200 Metern nehmen wir dann wie beschildert beim Tennisplatz links den Fußweg in die schattige Wolfsschlucht4.
Die Schlucht wurde durch einen Felssturz zweigeteilt. Dabei entstand eine Höhle, durch die man von dem einen in den anderen Teil gelangt. An einigen Stellen sieht man deutliche Bearbeitungs­spuren. Am Ende der Schlucht unbedingt die Nordwand beachten. Darin sind quadratische Gerüstlöcher und persönliche Gravierungen der Steinmetze zu erkennen.

Mühlsteinbruch Hinterhör

Mühlsteinbruch Hinterhör
Vom 16. bis ins 19. Jahrhundert wurden im Steinbruch bei Hinterhör Mühlsteine gewonnen und anschließend über den Inn verschifft. Die wertvolle Fracht gelangte über die Donau bis Wien und Budapest.

Nach Verlassen der Wolfsschlucht muss man beim Sportplatz zuerst links und wenige Schritte weiter gleich wieder rechts auf einen Fußweg wechseln, der hinunter zum Bauhof führt. Von dort wandern wir entsprechend dem Schiffleutweg am Hepfengraben entlang. Die unbedeutenderen Steinbrüche am Eckbichl sowie am Bürgl, heute ein Freilichttheater, kann man getrost auslassen und geradewegs nach Altenbeuern laufen.
Bei der Kirche St. Rupert in Altenbeuern ist der Mühl­stein­bruch Hinterhör5 groß ausgeschildert. Kurze Zeit später erreichen wir ihn auf einem von Alleebäumen gesäumten Sträßchen. Der mit seinen kreisrunden Abbauspuren ungewöhnliche Steinbruch zählt zu den hundert schönsten Geotopen Bayerns. Der Überhang hat keine technischen Gründe. Er ergab sich eher zufällig wegen zweier sich überlagernder Gesteins­arten, von denen nur die untere brauchbar war.

Um die Mühlsteine zu gewinnen, markierte man zunächst einen Kreis und schlug entlang der Linie eine v-förmige Rinne um den Rohling. An der zugänglichen Seite wurden dann mehrere Keiltaschen in den Fels getrieben. In die Keiltaschen kamen Holzkeile. Durch eine andauernde Befeuchtung quoll das Holz immer weiter auf, bis der Druck schließlich den Rohling absprengte. Diese ebenso einfache wie geniale Technik kam schon in den antiken Steinbrüchen der Ägypter, Griechen und Römer zum Einsatz.

Burgstall Althaus

Von Althaus hat man ein schönes Panorama mit den Bayerischen Voralpen.

Das nächste Ziel ist der Burgstall Althaus. Dazu vom Steinbruch Hinterhör zurück zum Sträßchen, von dem man schon nach wenigen Metern rechts auf einen gekiesten Waldweg abzweigt. Wenn der Weg wieder ins Freie führt, liegt linker Hand der Einödhof Althaus, ein ehemaliger Wirtschaftshof der Burg Althaus.
Der Burgstall6 versteckt sich oberhalb im Wald. Vorsicht, der weglose Aufstieg zum abschüssigen Burgfelsen ist rutschig. Zu seinen Füßen befindet sich im Gebüsch ein weitgehend verschütteter Zisternen­schacht. Auf dem schmalen Felssporn konnte nur eine winzige Burg Platz gehabt haben. Mit den ringsum steil abfallenden Seiten war sie gut geschützt. Vom Bergfried soll es geringe Mauerreste geben, die ich allerdings nicht finden konnte. Ich könnte mir vorstellen, dass im Bauernhaus unten ehemalige Mauersteine der Burg verbaut sind. Wie so oft bei solchen kleinen Burgställen existieren in den historischen Quellen nur spärliche Berichte. Eine archäologische Untersuchung steht noch aus.

Panoramaweg über Holzham

Ab Althaus wandern wir an Wieslering vorbei auf einer als Panoramaweg beschilderten Nebenstraße über den Weiler Freibichl nach Holzham7. Tatsächlich bietet die Strecke ein schönes Panorama, insbesondere ins Wendelsteingebiet. Auch sonst ist dieser Abschnitt recht idyllisch. Die Einzel­gehöfte und Weiler stehen wie vor Jahrhunderten auf kleinen Rodungsinseln. In Holzham geht es geradeaus hindurch. Bald darauf an einem Wegkreuz rechts den Fußweg zurück nach Neubeuern einschlagen.

Marktplatz und Schloss Neubeuern

Schloss Neubeuern
Das Schloss Neubeuern und der wuchtige Bergfried überragen den herausgeputzten Marktplatz.

In Neubeuern gelangt man auf der gebogenen Straße Am Gereut und der Samerstraße zum Marktplatz, den man durch das Salzburger Tor betritt.
Neubeuern wurde 1981 zum schönsten Dorf Deutsch­lands gekürt, einen Titel, den es auch heute noch verdient. Obwohl der Ort wie eine winzige Stadt aussieht, ist er doch nur ein Markt.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Marktplatzes steht das Münchner Tor, bei dem die Bäckerstiege zum Schloss Neubeuern hinaufführt.
Im 18. Jahrhundert gehörte Neubeuern dem Preysinger Grafen Maximilian IV., der auch die Herrschaft Hohenaschau innehatte. Als einflussreicher Politiker diente er drei bayerischen Kurfürsten. Im Österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) wurde das seiner Burg zum Verhängnis. Sie fiel einem Angriff von ungarischen Truppen der österreichischen Herrscherin Maria Theresia zum Opfer. Für den Grafen war das letztlich eine willkommene Gelegenheit, die unwohnliche Burg in ein komfortables Schloss zu verwandeln. Als einziges Überbleibsel der mittel­alterlichen Burg dominiert noch der markante Bergfried die Anlage. Heute werden die Gebäude von einer teuren Privatschule genutzt, die den Zutritt zum Schlosspark manchmal verwehrt.
Beim Rückweg kann man vom Gasteig auf einer Treppe zur Sailerbachstraße hinab und von dort geradewegs zum Inn laufen. Das ist etwas kürzer als über Altenmarkt.