1. Berchtesgadener Alpen

Hochkalter-Überschreitung (2607 m)

Fantastische Bergtour am nördlichsten Alpengletscher

Die Hochkalter-Überschreitung zählt zu den großen Paradetouren der Berchtes­gadener Alpen. Mit seinem anspruchs­vollen Grat und den zahlreichen Kletterstellen verlangt der Hochkalter eine solide Bergerfahrung. Viel Kondition ist obendrein nötig. Trainierte schaffen die Bergtour aber durchaus an einem Tag.
Stand:

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Hochkalter mit Blaueis
Blick von der Blaueishütte Richtung Blaueisgletscher. Der Hochkalter befindet sich rechts oberhalb des Gletschers.

Der Hochkalter bietet ein wirklich einmaliges und zugleich recht ursprüngliches Bergerlebnis. Denn die Tour ist zwar perfekt markiert, doch an den Kletter­stellen wurde ganz auf technische Hilfe­stellungen verzichtet.
Obwohl der Hochkalter ebenso beeindruckt wie die benachbarte Watzmann­gruppe, geht es auf ihm deutlich ruhiger zu. Selbst in der Hoch­saison sind kaum mehr als ein Dutzend Gipfel­aspiranten unterwegs.

Im Schatten des Hochkalters liegt mit dem Blaueis der nörd­lichste Gletscher der Alpen. Leider sind seine Tage gezählt. Denn der Blaueis­gletscher ist sehr stark vom Klima­wandel betroffen und zog sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurück. Schon in wenigen Jahren könnte er ganz verschwunden sein. Der wegen vieler schwerer Unfälle berüchtigte Eistourenklassiker über das Blaueis dürfte also bald Geschichte sein.Im heißen Sommer 2015 brach die ehemalige Gletscherzunge vom Hauptgletscher ab.Das losgelöste Stück der Zunge ist damit nur noch ein Toteis und schmilzt besonders schnell dahin. Genaue geologische Informationen zum Blaueisgletscher bekommt man beim Bayerischen Landesamt für Umwelt.

Der Name des Hochkalters hat übrigens nichts damit zu tun, dass es dort wegen des Gletschers kalt ist, sondern mit der Talform. Bei einem Kalter handelt es sich um ein Behältnis oder Gefäß. Namensgebend war wohl der von Felswänden umschlossene Karkessel mit dem Blaueis.

Tipp: Im Sommer verkehrt auf dem Hintersee das kleine Motor­boot Annerl, mit dem man übersetzen kann. Außerdem werden Rund­fahrten mit Erklärungen zum See angeboten.

Tourcharakter und Schwierigkeit

1880 hm 19 km8:50 h

Anspruch ■■■■■■ T6  II
Kondition ■■■■■■
Orientierung ■■■■■■

Die enormen konditionellen Anforderungen kombiniert mit durchaus erheblichen technischen Schwierig­keiten machen den Hochkalter zu einer Tour nur für sehr Geübte. Trotz der Anstrengung stets konzentriert zu bleiben, fällt nicht leicht. Der Aufstieg über die Blaueis­hütte ist tendenziell anspruchs­voller als der Abstieg durch das Ofental. Das Kletter­gelände hält sich überwiegend im I. Grad mit einigen IIer-Stellen. Vor allem der letzte, ziemlich exponierte Grat­abschnitt vor dem Gipfel darf nicht unterschätzt werden.

Da es während der Überschreitung keine Möglichkeit gibt, bei einem herauf­ziehenden Gewitter schnell den Rückzug anzutreten, unbedingt einen Tag mit stabilem Wetter wählen. Schlechte Sicht sollte natürlich ebenfalls nicht herrschen.

Leider ist der Hochkalter immer wieder Schauplatz schwerer Bergunglücke.Als besonders tragisch bleibt der Fall eines 24-jährigen Mannes aus Hannover in Erinnerung, der Mitte September 2022 bei winterlichen Bedingungen und Schlecht­wetter von der Blaueis­hütte aufstieg. Er rutschte ab, verletzte sich und landete in gefährlichem Gelände. Die Bergwacht konnte ihn trotz Telefon­kontakt nicht orten. Eine mehr­tägige Suche, teils im Schnee­sturm, blieb erfolglos. Vermutlich starb der Bergsteiger noch in der ersten Nacht an Unterkühlung. Seine Leiche wurde einen Monat später gefunden.

Wegbeschreibung

Vom Hintersee zur Blaueishütte

Blaueishütte
Historische Aufnahme von der 1922 erbauten Blaueishütte. Das Blaueis war damals noch ein recht statttlicher Gletscher. Bild: H. Gutjahr, Ramsau
Datenquelle: Foto von alter Postkarte (Eigenbesitz)

Vom Hintersee wandern wir zunächst auf einem Fahrweg bei angenehmer Steigung zur bewirteten Schärtenalm1. Wer mag, kann zwischendrin eine Schleife abkürzen. Von der Alm geht es noch ein Stück auf dem Fahrweg weiter. Bei der Materialseilbahn dann wie beschildert links hinauf zur Blaueishütte. Ein kühler Lufthauch lässt uns den Gletscher bereits spüren, bevor wir die Blaueishütte2 erreichen und ihn vor uns sehen.
Rings um das Unterkunftshaus liegen mächtige Fels­brocken verstreut. Sie stammen von einem gewaltigen Bergsturz, der sich vor etwa 3500 Jahren ereignete. Das meiste Sturz­material landete unten im Tal beim Hintersee im so genannten Zauberwald, durch den es einen sehr lohnenden Rundweg gibt.

Schöner Fleck

Ein bezeichneter Weg führt hinter der Blaueishütte Richtung Blaueisgletscher, biegt aber bald nach rechts ab. Wer zur Schärten­spitze will, verabschiedet sich nach links. Zwischen den großen Blöcken des Bergsturzes hindurch gelangt man zu einer steilen, unangenehmen Geröllreise. Sie endet an einem mehrere Meter hohen Plattenschluss (I-II). Wer dort Probleme hat, sollte umkehren. Darüber befindet sich der Schöne Fleck3, der seinem Namen alle Ehre macht.

Nordgrat zum Hochkalter

Schlüsselstelle am Hochkalter
Die Schlüsselstelle (II) ist nicht besonders ausgesetzt und dank deutlicher Markierung mit etwas Klettererfahrung gut zu meistern.

Von der Scharte am Schönen Fleck geht es durch ein wildes Felslabyrinth mit einem markanten Durchschlupf. Gut auf die Markierungen achtgeben. Anschließend kommt die heutige Schlüsselstelle, wieder eine kleine Wand (II). Danach folgt vorwiegend Geh­gelände. Hinter dem Rotpalfen4, auch Wasserwandkopf genannt, bleibt der Steig immer mehr oder weniger in Gratnähe. Wir haben währenddessen einen großartigen Blick auf den Blaueis­gletscher. Nach dem unauffälligen Kleinkalter zieht sich der Grat zusammen. Das letzte Stück entlang der ausgesetzten Schneide zum Gipfel des Hochkalters5 erfordert noch einmal Klettergeschick.

Abstieg ins Ofental

Ofental
Das Ofental beginnt mit einem langen Geröllfeld. Rechts und links sind die vom ehemaligen Gletscher bearbeiteten Felswände zu erkennen. Gegenüber liegt der Gebirgsstock der Reiter Alm.

Anfangs weist uns eine steile, mit Geröll gefüllte Rinne den Weg. Einzelnen Felsstufen (I) sind dabei zu bewältigen. Im weiteren Verlauf schwenkt die Route nach links und quert auf abfallenden Bändern in die Ofentalscharte6. Auf Seiten des Wimbachtals bricht die Ofental­scharte mit gewaltigen Platten ab.
Durch eine Rinne und über kleinere Gelände­stufen wird das langgezogene Kar des Ofentals7 erreicht. Es ist ein typisches, vom Gletscher überformtes Trogtal. Auffällig sind die stark abgeschliffenen Felsen zu beiden Seiten. Das Ofental beginnt mit viel Geröll, das zum Teil sicher noch von der Grundmoräne des Gletschers stammt. Stellenweise kann ein wenig abgefahren werden. Der Aufstieg durch das Kar wäre sehr mühsam, weshalb die Tour meist in der beschriebenen Richtung durchgeführt wird. Der Weg hält sich am rechten Rand und taucht nach schier endlosem Schotter in die Latschen ein. Später macht der Weg im Wald ein paar ausladenden Schleifen, bis man schließlich unten im Tal bei der Lahnwald-Diensthütte8 herauskommt.

Rückweg durch das Klausbachtal

Unten im Klausbachtal folgt dann noch ein längerer Hatscher. Man passiert dabei die Infostelle des Nationalparks, die im Klausbachhaus9 untergebracht ist.
Beim Gasthof Auzinger könnte man bereits in den Linienbus einsteigen. Andernfalls bis zum Hinterssee laufen und an seinem Südufer entlang. Am Hintersee gibt es nochmals eine Bushaltestelle. Wer zum Auto am Holz­lager­platz zurückmuss, läuft die letzten Meter neben der Straße.