Bockerlbahnweg am Spitzingsee
Wanderung von der Valepp nach Neuhaus
Die gemütliche Wanderung auf dem Bockerlbahnweg führt von der Valepp über den idyllischen Spitzingsee nach Neuhaus am Schliersee. Dabei kommt man an urigen Hütten und den beliebten Josefsthaler Wasserfällen vorbei. Infotafeln berichten unterwegs über die spannende Geschichte des großen Windbruchs in der Valepp und die ehemalige Neuhauser Bockerlbahn.
Stand:

Im Januar 1919 wütete in der Valepp ein orkanartiger Föhnsturm mit Böen bis zu 200 Stundenkilometern. Mehrere Quadratkilometer Wald wurden zerstört. Die entwurzelten und zersplitterten Bäume stapelten sich wild übereinander. Ein ungewöhnliches Jahrhundertereignis! Derart heftige Föhnstürme sind sehr selten. Aber sie kommen immer wieder vor. Besonders viel Kraft hat der Föhn im Winter, wenn die Temperaturdifferenz zwischen Norditalien und Süddeutschland am größten ist.
Der warme Föhn fällt in das Inntal ein und tobt dann durch die bayerischen Alpentäler. Vor allem das Werdenfelser Land ist häufig betroffen. Man geht sogar davon aus, dass die Werdenfelser Buckelwiesen mit den durch Föhnstürmen verursachten Windbrüchen zusammenhängen.Angesicht des gewaltigen Windwurfs und Windbruchs in der Valepp stellte sich die Frage, wie das Holz aus dem schwer zugänglichen Gebiet abtransportiert werden sollte.Die etwa drei Meter breite Alte Spitzingstraße war für schwere Holztransporte ungeeignet. Außerdem war die Leistung der Lastwagen zu dieser Zeit für die steile Straße unzureichend. Leichte Pferdefuhrwerke kamen nicht in Frage, weil es an einer ausreichenden Zahl von Pferden mangelte.
Deshalb beschloss die Bayerische Staatsforstverwaltung, eine schmalspurige Waldbahn vom Bahnhof Fischhausen zur Waitzingeralm zu bauen. In Bayern nennt man solche Nebenstrecken üblicherweise Bockerlbahn. Trotz des schwierigen Geländes entstand die Bockerlbahn in Rekordzeit. Die Durchführung übernahm die Firma Steinbeis aus Brannenburg. Genug Erfahrung besaß diese, denn der Firmengründer Otto von Steinbeis (1839–1920) hatte die 1912 eröffnete Wendelsteinzahnradbahn erbaut.
Bereits während des Baus der Bockerlbahn wurden die Baumstämme entastet, entrindet, auf 4,5 Meter gelängt und nach Qualität sortiert. Schnell war klar, dass nur erfahrene Holzer das Chaos in den steilen Hängen und Schluchten bewältigen konnten. Statt einheimische Arbeitslose einzusetzen, warb man Fachkräfte auch aus dem benachbarten Tirol an.
In den Chiemgauer Alpen kämpften die Menschen übrigens ebenfalls mit den Folgen des Föhnsturms von 1919. Auch zwischen Ruhpolding und Reit im Winkl wurde damals eine Schmalspurbahn zum Holztransport angelegt.
Nach drei Jahren war das Holz aus der Valepp abtransportiert, so dass die Neuhauser Bockerlbahn 1922 wieder stillgelegt werden konnte. Die Strecke wurde vollständig zurückgebaut. Schnell geriet die Geschichte in Vergessenheit.Erst die Eröffnung des liebevoll gestalteten Bockerlbahnwegs im Jahr 2010 machte die Existenz der Neuhauser Waldbahn einer breiten Öffentlichkeit bekannt.Entlang der Strecke stehen überall Infotafeln mit Originalaufnahmen und detaillierten Beschreibungen. So können die alten Fotos direkt an Ort und Stelle mit der heutigen Landschaft verglichen werden. Um dem Weg des Holzes zu folgen, empfehle ich, die Wanderung in der Valepp zu beginnen. Die Stationen sind allerdings in der umgekehrten Reihenfolge vom Bahnhof Fischhausen-Neuhaus ausgehend durchnummeriert.
Filmtipp: Aus der Sendung Zwischen Spessart und Karwendel des Bayerischen Rundfunks gibt es einen interessanten Beitrag über den großen Windbruch in der Valepp und die Neuhauser Waldbahn. Der Film begleitet den Heimatforscher Gerald Wehrmann, der die Bockerlbahn beim Durchstreifen der Schlierseer Berge sozusagen wiederentdeckte. Wehrmann sichtete alte Dokumente, arbeitete das Thema gründlich auf und verfasste ein Buch dazu.
Tourcharakter und Schwierigkeit
Der Bockerlbahnweg nutzt durchgängig einfache, bequeme Wanderwege ohne ausgesetzte Stellen. Die Strecke ist nicht wirklich weit und die Höhenmeter sind kaum der Rede Wert. So bleibt auf jeden Fall genug Zeit, die vielen Schautafeln zu lesen.Im Winter ist die Wanderung nur eingeschränkt zu empfehlen, weil dann kein Bus in die Valepp fährt.
Wegbeschreibung
Waitzingeralm

Der Bus hält an der ehemaligen Waitzingeralm, wo eine alte Winterstube der Holzknechte steht. Sie wird von den Naturfreunden als Selbstversorgerunterkunft genutzt. Bei der Hütte führt eine Brücke über die Rote Valepp. Es mag überraschen, dass die Rote Valepp nach Süden fließt, aber der Spitzingsattel bildet die Wasserscheide zwischen der Mangfall und der Valepp. Die Rote Valepp vereinigt sich nach zwei Kilometern beim Forsthaus Valepp mit der Weißen Valepp. Durch die spannende Schlucht der Grundache, die Erzherzog-Johann-Klause und die Kaiserklamm erreicht das Wasser aus dem Spitzingsee schließlich den Inn.
Auf der anderen Seite der Roten Valepp gibt es gleich die erste Schautafel des Bockerlbahnwegs mit einem historischen Abriss und einem Überblick zu den 15 Stationen. Dort, am Bahnhof Waitzingeralm, wurde das Sturmholz aus der Valepp aufgeladen, dessen Route wir nun folgen.
Zum Blecksteinhaus
Von der Waitzingeralm wandern wir neben der Roten Valepp erst einmal gemütlich bachaufwärts. Mächtige Felsblöcke am Wegrand zeugen von einem Felssturz, der seinen Ursprung irgendwo beim Stolzenberg oben hatte. Bald kommt die Blecksteinstufe. Dort steht ein kleines Wasserkraftwerk, das zusammen mit einem zweiten weiter oben zum privaten Elektrizitätswerk Spitzingsee gehört.
Für die Bockerlbahn bedeutete die Steilstufe am Bleckstein eine technische Herausforderung. Von einer Lokomotive konnten die schwer beladenen Wagen nicht hinaufgezogen werden. Deshalb bewerkstelligte man das mit einem Schrägaufzug. Mittels Flaschenzug ließ sich so die benötigte Zugkraft verringern. Angetrieben wurde der Aufzug mit einer mobilen Dampfmaschine, einer so genannten Lokomobile.
Am oberen Ende des Aufzugs steht heute das Blecksteinhaus1. Es wurde 1927 von der Alpenvereinssektion Männer Turnverein München erbaut. Mit der Bockerlbahn hat das Blecksteinhaus nicht direkt etwas zu tun.
Holzlagerplatz Grünanger

Hinter dem Blecksteinhaus geht es spitz links, wobei man zuvor noch rechts an der Valeppbrücke das Schild über den Holzlagerplatz Grünanger lesen könnte. Vermutlich handelte es sich dort um den größten Holzlagerplatz, den es jemals in den Bayerischen Alpen gab. Der Name Grünanger für die freundliche Lichtung, durch welche die Rote Valepp in weiten Bögen mäandert, ist wirklich treffend. Im Sommer blüht entlang des Wasserlaufs ein Meer aus rosafarbenen Waldweidenröschen.
Vom Grünanger muss man anschließend wieder das kurze Stück zurück.
Blecksteindurchbruch

Die Srecke passiert nun westlich des Blecksteinhauses eine sumpfige Mulde, aus der ein Bächlein entspringt. Diese Moorbäche mit ihrem rotbraunen Wasser gaben der Roten Valepp ihren Namen.
Bald macht der Bockerbahnweg eine Spitzkehre zum so genannten Blecksteindurchbruch, einen gut 40 Meter langen, künstlich geschaffenen Durchlass. Für das Bockergleis stellte die eigentlich nur wenige Meter hohe Bodenschwelle ein echtes Hindernis dar.
Das aufgeschlossene Gestein ist Oberrhätkalk aus der Trias. Oberrhätkalk kennt man vor allem als gipfelbildenden Riffkalk, etwa beim Blankenstein. Doch es gibt in auch in gebankter Form, wie es beim Blecksteindurchbruch ganz offensichtlich der Fall ist. Der gebankte Oberrhätkalk entstand aus Ablagerungen und Riffschutt zwischen oder neben den Riffen.
Valeppalm

Jenseits des Blecksteindurchbruchs breitet sich ein lieblicher Talgrund aus, in dem die Hütten der Valeppalm2 stehen, genauer gesagt diejenigen der Roten Valeppalm. Es gibt auch eine Weiße Valeppalm in den Tegernseer Bergen. Sie gehört zu Rottach-Egern.
Der Weiterweg quert den Hang etwas oberhalb der Almweiden genau entlang der Linie, auf der früher die Waldbahn fuhr. Dabei macht er einen weiten Rechtsbogen und gewährt einen schönen Blick nach Süden zum Hinteren Sonnwendjoch. Vor der Roten Valepp knickt der Weg nach links zum Spitzingsee.
Spitzingsee-Rundweg

Den Ort Spitzingsee gab es um 1900 noch gar nicht. Nur eine Diensthütte und die Wurzhütte standen an der Südspitze des Sees. Die Wurzhütte war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ein Wirtshaus. Zur Zeit der Bockerlbahn standen im Bereich des heutigen Orts Wohnbaracken für die Arbeiter. Anschließend verschwanden die Gebäude wieder. Der Ort entwickelte sich erst in der Nachkriegszeit.
Die Gleisstrecke verlief nicht unten am sumpfigen Ufer des Spitzingsees, sondern weiter oben im Hang. Zum Wandern ist der Uferweg allerdings reizvoller als der gekieste, teils asphaltierte Höhenweg. Wir laufen also besser unten am Ufer um die Westseite des Sees herum und dann hinauf zum Spitzingsattel3. Dort treffen wir wieder auf den Bockerlbahnweg.
Der Spitzingsattel liegt zwischen dem Brecherspitz im Westen und dem Jägerkamp. Beide Gipfel sind lohnend. Man kann sie vom Sattel aus besteigen.
Stockeralm und Josefsthaler Wasserfälle

Der Abschnitt vom Spitzingsattel über die Stockeralm nach Neuhaus bereitete den Ingenieuren beim Bau der Waldbahn die meisten Probleme. Das steile, komplexe Gelände erforderte kreative Lösungen.
Vom Spitzingsattel geht es für uns nun durch ein Waldstück und neben einem Graben hinab zur Stockeralm4. Wegen des starken Gefälles gab es vom Spitzingsattel bis zum Bahnhof Stockeralm drei so genannte Bremsberge. Bei diesen zog jeweils ein beladener, abwärtsfahrender Wagen einen leeren nach oben.
An der malerisch gelegenen, leider nicht bewirteten Stockeralm nimmt man den linken oberen Weg. Der Bahnhof Stockeralm befand sich weiter unten am Nordende der mittlerweile ziemlich verbuschten Almlichtung.
Von dort wäre ein kurzer Abstecher runter zu den sehenswerten Josefsthaler Wasserfällen5 möglich. Für viele der Höhepunkt des Bockerlbahnwegs. Nach dem Besuch bei den Wasserfällen sollte man aber nicht direkt nach Josefsthal absteigen, denn sonst muss man durch den Ort hatschen und verpasst außerdem die übrigen Stationen der Bockerlbahn.
Nach Neuhaus

Der letzte Abschnitt vom ehemaligen Bahnhof Stockeralm nach Neuhaus hält sich exakt an den Streckenverlauf der Bockerlbahn. An einigen Stellen sind noch Betonfundamente zu erkennen. Nach dem Laubenriesgraben wird der Weg breiter und mündet beim Ankelbach6 in eine Kiesstraße. Für die Bockerlbahn wurde über den Ankelbach eine aufwändige, für die damalige Zeit technisch innovative Bogenbrücke aus Holz errichtet. Die Schwierigkeit bestand darin, dass zur Kurve auch noch eine Steigung hinzukam. Auf der entsprechenden Schautafel sind Fotos der Ankelbachbrücke zu sehen.
Weniger später erreichen wir die ersten Häuser von Neuhaus. In der Krettenburgstraße am besten links halten und über den Dürnbach. Der Bach führt nur zeitweise Wasser, daher sein Name. Zum Bahnhof Fischhausen-Neuhaus folgt man anschließend der Dürnbachstraße kurz nach rechts und wendet sich dann bei einer der nächsten Gelegenheiten links.