Der Traum von den schönen Bergen
Ein Erbe der Romantik
Die Vorstellung von den Alpen als Inbegriff einer schönen Landschaft geht auf die Epoche der Romantik zurück. Die Romantik ergibt sich dabei aus einem speziellen Bildaufbau, bei dem ein lieblicher Vordergrund mit einem Hintergrund aus rauen Felsgipfeln kombiniert wird. Solange die Distanz zum Kitsch gewahrt bleibt, kann man sich dem Reiz derartiger Ansichten kaum entziehen.
Das romantische Alpenbild ist ein Kunstprodukt

Unberührte Natur wird zur Kulturlandschaft

Die so genannte unberührte Natur richtet sich keineswegs von vorneherein nach unserem ästhetischen Empfinden. Im Gegenteil, sie kann recht abweisend wirken und durch menschliche Eingriffe sogar verschönert werden. Gerade diejenigen Ansichten, die uns besonders ansprechen, schließen häufig Kulturland mit ein.
Bevor die Alpen besiedelt wurden, waren sie bis zur Baumgrenze fast vollständig von dichten Wäldern und undurchdringlichen Latschenfeldern bedeckt. Die Täler waren weitgehend versumpft und wurden von wilden Flüssen beherrscht. Die Ufer der meisten ach so idyllischen Seen waren zugewachsen und schwer zugänglich. Zusammen mit der kargen Fels- und Eiswüste des Hochgebirges eine ziemlich menschenfeindliche Landschaft.
Erst mit der großflächigen Urbarmachung der Täler und den gerodeten Almlichten oberhalb der Bannwälder entstand die für uns heute selbstverständliche alpine Kulturlandschaft. Der Tourismus profitiert und lebt stark von dem, was in Jahrhunderten gewachsen ist: kleinräumige Strukturen, artenreiche Weiden und Wiesen, gastliche Almhütten, Wegkreuze, Kapellen und die sprichwörtlichen glücklichen Kühe. Am wichtigsten ist dabei aber die im Zuge der Almwirtschaft geschaffene offene Perspektive. Denn erst so kommen das Panorama und die Naturschönheit richtig zur Geltung. Es gibt sie ja wirklich, diese traumhaften Bilder von den Bergen. Nur ist das eben nicht die Regel, sondern die Ausnahme.
Die Alpen sind kein Heidiland

Bei der neueren Bebauung gelingt eine Symbiose mit der Landschaft oft nicht mehr. Das Problem stellt dabei nicht nur der manchmal geschmacklose Baustil einzelner Gebäude dar, sondern auch deren Dimension und Anzahl. Etwa wenn aus einer winzigen Almhütte ein stattlicher Berggasthof samt Nebengebäuden wird. Dass die ausufernde Zersiedelung in den Alpen viel störender empfunden wird als diejenige im Flachland, beruht auf dem romantischen Idealbild, das wir von den Alpen haben. Doch die Alpen sind kein Heidiland. Von ein bisschen Almidylle kann niemand leben. Die Bevölkerung benötigt Wohnraum, eine moderne Infrastruktur und Arbeitsplätze.
Wohin geht die Reise?

Andererseits werden abgelegene Täler und Dörfer, an denen der Massentourismus bisher vorüberging und die weder besonderen Komfort noch Attraktionen zu bieten haben, gerade deshalb interessant. Viele Menschen suchen im Urlaub vor allem nach Entspannung, Beschaulichkeit und schöner Natur. Das Echte und Ursprüngliche ist wieder angesagt. Die traditionelle Vieh- und Almwirtschaft gehört genauso dazu wie eine unverbaute Landschaft. So kann das romantisch verklärte Alpenbild vielleicht dazu beitragen, dass ein wenig davon erhalten bleibt.