Stille Wege und einsame Gipfel
Wo man in den Bergen noch Ruhe findet
Es sind seit Jahrzehnten dieselben Klagen. An schönen Wochenenden oder Ferientagen treten sich die Bergfreunde an den zahlreichen Hotspots der Bayerischen Alpen gegenseitig auf ihren Wanderschuhen herum. Statt der ersehnten Stille und Beschaulichkeit finden sich vielerorts nur volle Gipfel, laute Zeitgenossen und überbelegte Hütten.
Hochbetrieb in den Bayerischen Alpen

Natur und Berge sind für alle da

Gerade Kurzausflüge zu nahe gelegenen Hütten, am besten mit Seilbahnanbindung, sind überlaufen. Wuseln tut es darüber hinaus vornehmlich auf all jenen Gipfeln, die bei Gelegenheitswanderern beliebt sind. Eine schnelle Erreichbarkeit, einfache Wege und mindestens eine Einkehrmöglichkeit zählen zu ihren Markenzeichen. Aber auch Renommee-Touren bieten selten eine stille Gipfelrast. Je besser mit einem Berg angegeben werden kann, umso mehr wollen hinauf. Letztendlich kann sich jeder an die eigene Nase fassen, anstatt über die anderen zu lamentieren. Man trägt schließlich selbst mit zum Rummel bei.
Tipps für stille Touren
Trotz allem, wer in den Bergen keine Einsamkeit findet, macht grundsätzlich etwas falsch. Es ist so schwer, ihr zu entgehen, dass sich die Frage stellt, ob sie denn tatsächlich gesucht wird. Die weißen Flecken zwischen den Hauptanziehungspunkten sind riesig. Gerade im Karwendel, den Ammergauern oder den Miemingern wird so mancher Gipfel jedes Jahr nur wenige Male besucht. Viele Steige müssten dringend häufiger begangen werden, weil sie schon zuwuchern. Selbst mitten zwischen den Münchner Hausbergen gibt es beispielsweise im Estergebirge ein paar sehr ruhige Bereiche. Freilich kostet es deutlich mehr Mühe, sich auf Entdeckungstour nach den unbekannten Ecken zu machen, ist oft anstrengender und mitunter auch gefährlicher.
- Gipfel der zweiten Reihe, die im Schatten prominenter Berge stehen, eröffnen oft ein gleichwertiges bergsteigerisches Erlebnis ohne das ganze Gedrängel. So etwa der Kleine Watzmann statt der überlaufenen Watzmann-Überschreitung, der Hohe Gaif statt der Alpspitze, die Sonnenwendwand statt der Kampenwand oder der Reitstein statt des Schildensteins.
- Keine Einkehrmöglichkeit ist meistens eine Garantie für wenig Leute.
- Touren in Seilbahnnähe während der Hochsaison möglichst meiden. Ideal sind Revisionszeiten.
- Augen offen halten und sich mit Ortskundigen freundlich austauschen. Vielleicht rücken sie ja mit einem Geheimtipp raus.
- Niemand soll und will beim schlimmsten Sauwetter wandern. Viele lassen sich jedoch bereits von ein paar Wolken und Regentropfen abschrecken. Macht einem ein bisschen trüberes Wetter nichts aus, dann hat man in diesem Fall häufig seine Ruhe.
- Aktuelle Tipps aus Tageszeitungen, Magazinen oder DAV-Zeitschriften erst einmal meiden und auf später verschieben, bis sie etwas Staub angesetzt haben.
- Ein antizyklisches Verhalten lohnt sich fast immer. Mit einem sehr frühen oder späten Aufbruch umgeht man die Rushhour am Gipfel. Oder man nutzt verstärkt die Übergangszeiten zwischen Sommer- und Wintersaison, wenn viele Einkehrmöglichkeiten Betriebsferien haben.
Ressourcen im Internet
Mit Hilfe der historischen Karten im BayernAtlas und den historischen Kartenwerken Tirols lässt sich manch vergessener Pfad wiederentdecken. Ob er im Gelände tatsächlich noch existiert und begehbar ist, lässt sich nur vor Ort klären. Eine gute Orientierungsfähigkeit sowie eine hohe Frustrationstoleranz muss dafür vorhanden sein.
Außerdem verbessert sich OpenStreetMap fortwährend. Hier tauchen alte Wege wieder auf, die aus den aktuellen Kartenwerken nach und nach gestrichen wurden.
Eine reichhaltige Fundgrube für die Recherche nach unbekannten Almwegen und Jagdsteigen bilden die von Gerhard Oelkers zusammengetragenen Informationen zu den oberbayerischen Almen. Diese sind bei der Initiative AgrarKulturerbe zugänglich, wobei die Suche in der Datenbank etwas mühsam sein kann.
Einige private Websites befassen sich speziell mit einsamen Routen und Schleichwegen, meist auf ein bestimmtes Gebiet begrenzt. Erwähnenswert sind unter anderem die Bergseiten von Manfred Bromba fürs Mangfallgebirge, gipfelsuechtig.de für die Allgäuer Alpen oder roBerge.de fürs Inntal und die Chiemgauer. Die Wanderseite von Familie Steiner deckte den gesamten bayerischen Alpenraum ab und beschreibt – anders als der Name vermuten lässt – recht verwickelte und anspruchsvolle Touren. Von den großen Mitmachportalen bietet nach wie vor hikr.org den besten Fundus an nicht alltäglichen Unternehmungen.
Eine gewisse Skepsis bezüglich Qualität und Verlässlichkeit ist angebracht. Dies gilt natürlich ebenso für meine eigene Seite. Deshalb in jedem Fall zur Sicherheit eine zweite Quelle zur selben Route konsultieren.
Sicherheitsaspekte

Wer abseits ausgewiesener Wanderrouten, auf wenig begangenen Steigen oder im freien Gelände herumläuft, setzt sich damit einem höheren Unfallrisiko aus. Dessen sollte man sich bewusst sein. Im Notfall ist außerdem nicht zu erwarten, dass dort zufällig andere Wanderer vorbeikommen. Was eigentlich generell gilt, ist deshalb bei abgelegenen Routen noch wichtiger.Es sollte immer jemand über die geplante Tour informiert sein.Also in der Unterkunft, der Hütte oder zu Hause Bescheid geben und spontane Änderungen mitteilen.
Denn so wunderbar eine menschenleere Idylle auch sein mag, wer in Bergnot gerät, wird diese verfluchen. Es kann dann entscheidend sein, dass die Bergwacht weiß, wo sie suchen muss. Es sind schon Leute in Dolinen eingebrochen. Ein paar Meter unter der Erde gibt es keinen Empfang mehr. Man kann das Handy auch beim Sturz verlieren oder einfach nicht mehr in der Lage sein, einen Notruf abzusetzen.
Naturschutz
Wildtiere finden heutzutage kaum noch Rückzugsräume. Sie reagieren empfindlich auf Störungen an ungewohnter Stelle oder zu unerwarteten Tageszeiten. Wildschon- und schutzgebiete deshalb unbedingt respektieren. In Naturschutzgebieten und Nationalparks sind die Betretungsregeln zu beachten. Des Weiteren sich so leise wie möglich verhalten, die Tiere in Ruhe lassen und auch auf die Flora achtgeben.