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Höhlen in den Bayerischen Alpen

Ausflüge in die Unterwelt

Der schmale Streifen der Bayerischen Alpen verzeichnet Tausende von Höhlen. Die meisten liegen sehr versteckt, sind nur von guten Berg­steigern zu erreichen und ohne große Erfahrung nicht zu befahren. Immerhin gibt es ein paar Schau­höhlen sowie einige kleinere, leicht zugängliche Höhlen, die durch Wanderwege erschlossen sind.
Stand:

Wie entstehen Höhlen?

Rinnenkarren im Dachsteinkalk am Unters­berg. So wie hier auf der Ober­fläche löst das Wasser das Kalk­gestein auch im Untergrund auf.

Entsprechend ihrer Entstehung unter­scheidet die Geologie zwischen primären und sekundären Höhlen.Primärhöhlen entstehen zusammen mit dem Gestein, das sie umgibt. Sie kommen äußerst selten vor. Der häufigste Primär­höhlen­typ ist die Lava­höhle. Da die Bayerischen Alpen aber fast ausschließlich aus Sediment­gesteinen bestehen, gibt es darin keine Primärhöhlen vulkanischen Ursprungs. Doch andere Primär­höhlen­typen spielen durchaus eine Rolle. Die beiden Höhlen an den Schleier­fällen1 in der Ammerschlucht liegen im Kalktuff, einem sekundären Sediment­gestein, das durch Ausfällung von Kalk aus Quell­wasser entsteht. Der Tufffelsen dort ist nicht kompakt gewachsen, sondern hat Hohlräume übrig gelassen. Ebenfalls zu den Primärhöhlen zählen die durch Fels- und Bergstürze hervor­gebrachten Versturzhöhlen wie das Nixloch2 bei Hallthurm am Untersberg.

Sekundärhöhlen entstehen erst nachträglich im bereits existierenden Gestein. Man unter­teilt sie in Karst­höhlen, Kluft­höhlen und Auswitterungs­höhlen.

Am spannendsten für Forscher sind zweifellos die weit­verzweigten Höhlen­systeme der Karst­gebiete. Sie entstehen durch chemische Lösungs­prozesse. Als Teil der Nördlichen Kalkalpen bestehen die Bayerischen Alpen größten­teils aus Karbonat­gesteinen, von denen viele gut verkarstungs­fähig sind. Regen­wasser nimmt aus der Luft Kohlen­dioxid auf und wird dadurch leicht sauer. Das kohlen­säure­haltige Regen­wasser vermag das Kalzium­karbonat der Gesteine zu lösen. Sobald Regen­wasser durch Ritzen und Spalten eindringen kann, beginnen sich unterirdische Hohlräume zu bilden. Karsthöhlen entwickeln sich über einen sehr langen Zeitraum und werden dabei immer größer.

Höhlen tektonischen Ursprungs sind im Gegensatz zu den Karst­höhlen kaum verzweigt, können aber durchaus beachtliche Längen oder Tiefen erreichen. Diese Klufthöhlen bzw. Spalthöhlen werden durch starke Spannungen im Gestein verursacht, welche vor allem entlang geologischer Störungen zu Brüchen führen können. Kluft­höhlen hängen in der Regel mit der Hebung, Faltung und Dehung bei der Gebirgs­bildung zusammen.

Die dritte Gruppe der Sekundärhöhlen beruht auf den mecha­nischen Prozessen der Verwit­terung, insbesondere der Frost­sprengung sowie der Kraft des Wassers. Normaler­weise sind Auswit­terungs­höhlen klein, meist nur Halbhöhlen mit einer geringen Tiefe, wie beispiels­weise die Dachs­höhle3 bei Bad Tölz an der Rückwand eines ehemaligen Wasserfalls.

Bei vielen Höhlen spielen mehrere Ursachen zusammen. So kann ein tektonischer Spalt Ausgangspunkt für eine Karsthöhle sein oder durch Frost­sprengung weiter wachsen.

Karsthöhlen

Karstquelle in der Kuhflucht bei Farchant im Estergebirge.

Höhlenreiche Karstgebiete

In den Bayerischen Alpen existieren zahl­reiche Karst­gebiete. Wie die sprich­wört­lichen Löcher im Schweizer Käse durch­ziehen darin Schächte und Gänge den Fels.
Große Karstgebiete befinden sich unter anderem in den Berchtes­gadener Alpen, wo der gut verkarstungs­fähige Dachstein­kalk viele Gipfel aufbaut. Besonders reich an Höhlen ist der Untersberg. Er beherbergt die berühmt-berüchtigte Riesending-Schachthöhle, welche derzeit als längste und tiefste Höhle Deutschlands gilt. Früher einmal hatte die Salzgrabenhöhle am Königssee diesen Titel inne. Beide sind aus Natur­schutz­gründen und zur Unfall­vermeidung für die Öffentlichkeit gesperrt.
Sehr komplexe Höhlen sind in den Berchtes­gadener Alpen außerdem im Bereich der so genannten Umgäng am Hohen Göll bekannt.
Ein interessantes, gut erforschtes Karstgebiet ist darüber hinaus das Ester­gebirge in den Bayerischen Voralpen. Dort gibt es mit dem Angerlloch4 eine schnell erreichbare und vergleichs­weise einfach befahrbare Höhle. Ins Angerlloch werden geführte Exkursionen angeboten.
Daneben liegen in den Bayerischen Alpen noch ein paar kleinere Karst­gebiete, beispiels­weise im Chiemgau der Lauben­stein mit der Schlüssel­loch­höhle5. Die trocken gefallenen Höhlen am Wendelstein sind Reste eines ehemaligen, sehr alten Karstgebiets.

Karstquellen

  • Wo es Karst gibt, sind meistens auch Karst­quellen vorhanden. Die viel­leicht spektaku­lärste Bayerns entspringt in der Kuhflucht an der Westflanke des Ester­gebirges. Das Wasser der Kuhfluchtquelle6 ergießt sich aus mehreren Löchern in der Kuhflucht­wand. In knapp zwei Stunden kann man von Farchant zur Kuhflucht­quelle wandern.
  • Mitten in die Höllentalklamm7 im Wetter­stein­gebirge schießt mächtig viel Wasser von oben aus einer Karstquelle, eine zweite speist oberhalb der Klamm den großartigen Mariensprung-Wasserfall.
  • Im Priental liegt nahe dem Schloss Hohen­aschau die sehens­werte Hammerbachquelle8. Sie entwässert das gesamte Lauben­stein­gebiet und ist derart ergiebig, dass man mit ihr früher ein Hammerwerk antrieb.

Klufthöhlen

Die Bärenhöhle bei Oberammergau wirkt von außen sehr beeindruckend, reicht aber nicht weit in den Berg hinein.

Oberammergauer Bärenhöhle

Wer schon einmal von Oberammergau Richtung Ettal fuhr, dem dürfte die Bären­höhle9 bekannt sein. Das riesige Portal fällt bereits von Weitem auf. Wegen andauernder Steinschlag­gefahr wurde der Weg vom Park­platz zur Höhle zurück­gebaut. Auf eigenes Risiko hin darf sie aber betreten werden. Außer einer großen Christusfigur hat sie im Inneren nichts Sehens­wertes zu bieten. Über der Höhle zieht sich ein Riss die Felswand hinauf, so dass sie sich eindeutig der Gruppe der Spalthöhlen zuordnen lässt.

Ponorhöhle im Audorfer Schloßberg

Bei Oberaudorf im Inntal kann man eine weitere Kluft­höhle besuchen. Südlich des Orts befindet sich an der Westseite des Schloß­bergs, auf dem die Ruine Auer­burg steht, die so genannte Ponorhöhle10. Sie kann einige Meter ohne Ausrüstung befahren werden. In ihren Eingang verschwindet ein Bächlein. Solche Schluck­löcher oder Bach­schwinden heißen in der Fachsprache Ponore. Tatsächlich durchziehen die Klüfte den Schloßberg über mehrere Stockwerke und haben verschiedene Zugänge. Vermutlich zerlegte den Schloßberg­härtling die Last des Inn-Gletschers. In diesem Fall waren also keine tektonischen Kräfte am Werk.

Auswitterungshöhlen

Die kleine Bärenhöhle bei Wallgau im Ester­gebirge ist eine typische Auswitterungshöhle.

Wallgauer Bärenhöhle

Ein interessantes Exemplar einer Auswit­terungs­höhle ist die Wallgauer Bären­höhle11 im Süd­osten des Estergebirges. In der verwit­terungs­anfälligen Rauwacke der dort anstehenden Raibler Schichten reihen sich mehrere künstlich anmutende Nischen aneinander. Durch den talwärts geneigten Boden fällt das lose Material heraus, so dass sie sich nicht selbst verfüllt und weiter wachsen kann. Die grottenartige kleine Bärenhöhle repräsentiert gut die charakte­ristischen Eigenschaften von Auswitterungs­höhlen. Typischerweise reichen diese nur ein paar Meter in den Fels hinein und setzen sich oft aus einer Gruppe von Halbhöhlen zusammen.

Wildfräuleinstein im Allgäu

Ein weiteres schönes Beispiel für eine Auswitterungshöhle bildet der Wild­fräulein­stein12 bei Bad Hindelang in den Allgäuer Alpen. Der Wild­fräulein­stein ist ein beliebtes Ausflugs­ziel. Laut einer Sage sollen in den miteinander verbundenen kleinen Löchern wilde Fräulein gehaust haben. Wie bei der Wallgauer Bärenhöhle entstanden die Löcher wohl ebenfalls durch die Auslaugung von weichem Gipsgestein.

Ausflugstipps zu Schauhöhlen

Vor Jahrmillionen prägten Wasser­fälle und Bäche das Innere der Wendel­stein­höhle, heute tröpfelt es nur noch ein bisschen.

Sturmannshöhle im Allgäu

Im Allgäu sind Höhlen eher dünn gesät, von dem stark verkarsteten Gottesacker­plateau am Ifen einmal abgesehen. Ansonsten dominieren in den Allgäuer Alpen der spröde Haupt­dolomit und der fruchtbare Flecken­mergel, die beide nicht verkarstungs­fähig sind.
Doch bei Obermaiselstein gibt es mit der Sturmannshöhle13 eine immerhin 460 Meter lange Klufthöhle, die komplett begehbar ist. Von der Bus­halte­stelle bzw. dem Parkplatz Hirsch­sprung aus erreicht man sie nach einem kurzen Fuß­marsch auf dem Sagenweg. Führungen finden in der Sturmannshöhle nahezu ganzjährig statt.

Wendelsteinhöhle

Am Wendelstein, dem wohl bekanntesten Berg des Mangfall­gebirges, existiert im felsigen Gipfel­aufbau eine Karsthöhle, die zu einem größeren System gehört. Das Karst­gebiet am Wendel­stein entstand vor Millionen von Jahren auf Höhe des damaligen Grund­wasser­niveaus. Später wurde es angehoben und fiel trocken.
Ein Bayrischzeller entdeckte die Wendelsteinhöhle14 im Jahr 1864 durch Zufall. Statt des steinschlag­gefährdeten natürlichen Zugangs betritt man sie heute über einen künstlich angelegten Eingang. Er befindet sich direkt neben dem Bahnhof der Zahn­rad­bahn und nur wenige Minuten von der Berg­station der Seilbahn entfernt. Der Aufstieg von Bayrischzell dauert mindestens zwei Stunden. Die Höhle ist von Mai bis November offen und wird selbst­ständig besichtigt. Multimediale Stationen bieten ausreichend Informationen. Gelegentlich gibt es Sonder­führungen, bei denen ansonsten gesperrte Gänge betreten werden können.

Schellenberger Eishöhle im Untersberg

Die ungewöhnlichste Schauhöhle in den Bayerischen Alpen ist die Schellenberger Eishöhle15 im Unters­berg bei Markt­schellen­berg. In ihren gewaltigen Hallen türmen sich jahr­tausende­alte Eis­schichten auf, ähnlich wie bei der Hundalm Eishöhle im Tiroler Inntal. Führungen finden in der Schellen­berger Eishöhle von Juni bis Oktober statt. Erreichbar ist sie nur im Rahmen einer anstrengenden Berg­wanderung von bis zu drei Stunden. Der beschilderte Aufstieg beginnt zwei Kilometer nördlich von Markt­schellen­berg und verläuft über die Toni-Lenz-Hütte. Die Buslinie zwischen Berchtes­gaden und Salzburg hält am Ausgangs­punkt. Etwas weniger anstrengend ist es, wenn man die Untersbergbahn nimmt und vom Salz­burger Hochthron über die Mittag­scharte und den Thomas-Eder-Steig bergab wandert. Unbedingt warme Kleidung mitnehmen, denn in der Eishöhle herrschen selbst im Hochsommer winterliche Temperaturen!

Historisches

Mauerreste im Grafenloch in der Luegstein­wand bei Oberaudorf.

Gerade viele der Kleinhöhlen wurden schon früh von Menschen genutzt. Sie dienten Steinzeit­jägern als Lager­platz. Hirten fanden darin mit ihrem Almvieh bei Schlecht­wetter Unter­schlupf. In Kriegs­zeiten suchte die Bevölkerung sie als Zuflucht auf. Im bayerischen Inntal lebten in einigen sogar Einsiedler. Das Höhlen­haus beim Weber an der Wand16 ging aus einer Einsiedelei hervor.
Obwohl geologisch eher unspektakulär, haben diese Objekte dadurch oftmals eine gewisse lokal­historische oder archäo­logische Bedeutung. Um manche ranken sich auch Sagen und Geschichten.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das per Wander­weg erschlossene Grafen­loch in der Luegstein­wand17 bei Oberau­dorf. Es wurde im Hoch­mittel­alter zur Höhlen­burg ausgebaut. Ein paar Mauer­reste blieben erhalten.

Exkurs: Leben im Dunkel

Die Ökosysteme von Höhlen sind bislang noch kaum erforscht. Auf jeden Fall leben in ihnen nicht nur Fleder­mäuse und ein paar Spinnentiere.Die Artenvielfalt im Dunkeln scheint weitaus größer zu sein, als angesichts der widrigen Bedingungen zu vermuten wäre.Doch weil viele Tierchen mit bloßem Auge kaum oder gar nicht zu erkennen sind, erfahren sie wenig Aufmerksamkeit.Im Rahmen des Forschungsprojekts Leben im Dunkel wurden bei der Unter­suchung von sieben bayerischen Alpenhöhlen nahezu 200 verschiedene Arten entdeckt.Das Besondere am Lebensraum in den Tiefen­regionen von Höhlen ist die starke Abhängig­keit von der Außen­welt. Die meisten Nähr­stoffe müssen eingetragen werden, weil die pflanzliche Basis komplett fehlt. Pflanzen gedeihen im Dunkeln ohne die Möglichkeit zur Fotosynthese nicht. Nähr­stoffe gelangen über das Wasser, außerdem über die Luft sowie durch Tiere hinein.
Jede Veränderung der Nährstoffzufuhr oder verschmutztes Wasser kann das sensible Öko­system in der Tiefe empfindlich stören. Höhlen werden oft als Abenteuer­spiel­plätze gesehen. Müll und andere Hinter­lassen­schaften bleiben zurück, vor allem wenn Befahrungen mehrere Tage andauern. Im schlimmsten Fall verschwinden völlig unbemerkt endemische Kleinst­lebe­wesen oder es wird unwissentlich ein komplettes Öko­system zerstört. Höhlen­schutz müsste also viel umfassender sein und sollte sich nicht allein mit dem Abschlagen von Tropf­steinen oder der Winter­ruhe von Fleder­mäusen befassen. Auch wenn es schwer­fällt, den Forscher­drang zu bremsen, vielleicht wäre es besser, den ein oder anderen Gang auszulassen.