1. Geschichte
  2. Archäologie

Historische Grenzsteine und Felsmarchen im bayerischen Alpenraum

Zeugen vergangener Herrschaften

Beim Wandern in den Bayerischen Alpen stößt man nicht selten auf schöne alte Grenzmarkierungen. Die meisten liegen allerdings sehr versteckt. Die Suche nach diesen historischen Grenzsteinen und Felsmarchen kann richtig spannend sein. Ganz nebenbei lernt man dabei auch noch einiges über die bayerische Geschichte.
Stand:

Verschiedene Arten von Grenzzeichen

In der Bayerischen Uraufnahme aus dem 19. Jahr­hundert ist an der ehemaligen Werden­felser Grenze in der Elmau ein Marchbaum eingezeichnet. Der Name Beim Nagel lässt vermuten, dass Grenznägel eingeschlagen waren. Datenquelle: Geoportal Bayern (CC BY-ND 3.0)

Einen Grenzstein herzustellen, kostete früher viel Geld. Zudem waren der Transport und das Aufrichten mit erheblichem Aufwand verbunden – besonders natürlich im Gebirge.
Alternativ wurden daher zum Teil an auffälligen Felswänden so genannte Felsmarchen eingemeißelt. Wo die Grenze sowieso klar war, weil sie beispielsweise einem Bergkamm folgte, verzichtete man oft ganz darauf, Markierungen anzubringen.
Manchmal nutze man an Stelle eines Grenzsteins auch einen markanten Grenzbaum. Der Zustand solch eines Marchbaums musste jedoch regelmäßig überprüft werden. In der Regel wurden die Bäume mit Marchnägeln markiert. Der Kopf eines Marchnagels zeigte das Symbol oder den Anfangs­buchstaben der entsprechenden Herrschaft. In die Grenzbäume wurde für jede der beteiligten Parteien jeweils ein eigener Marchnagel eingeschlagen.

Viele Grenz­markierungen verschwanden im Lauf der Zeit. Doch der ein oder andere Flurname erinnert noch an sie. Örtlichkeiten mit der Bezeichnung Beim Nagel1 oder Nagelspitz2 geben einen Hinweis, wo Bäume mit Grenznägeln standen. Relativ häufig sind Marknamen wie Markeck3 oder Markgraben4. Um was für eine Art der Kennzeichnung es sich dabei handelte, geht aus den Marknamen selbst aber erst einmal nicht hervor.

Weltliche und geistliche Herrschaften

Grenzstein nahe Marzoll bei Bad Reichenhall aus dem Jahr 1818. K.K.Ö.G. bedeutet kaiserlich königlich österreichisches Gebiet. Auf der Rückseite steht K.B.G. für königlich bayerisches Gebiet.

Früher grenzten im bayerischen Alpenraum zahlreiche kleinere und größere Herrschafts­gebiete aneinander. Diese hinterließen uns eine enorme Anzahl wertvoller historischer Grenzsteine und Felsmarchen.
Wer anfängt, sich damit zu beschäftigen, wird schnell feststellen, dass es einiges an Geschichts­wissen erfordert, um die Bedeutung der Wappen, Symbole, Buchstaben und Jahreszahlen auf den Grenz­markierungen richtig zu interpretieren. Insbesondere muss man sich dazu die einzelnen Herrschaften und ihre historische Entwicklung vor Augen führen.
Für den Bereich des bayerischen Alpen­nordrands waren bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem vier Herrschaften von Bedeutung, nämlich das Hochstift Augsburg, das Kurfürstentum Bayern, die Grafschaft Tirol und das Fürsterzbistum Salzburg. Dazwischen lagen noch einige kleinere Herrschaften, die ebenfalls reichs­unmittelbare waren – also ohne Zwischeninstanz direkt dem König bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reichs unterstanden.

Auf der Karte S. Rom. Imperii Circuli Et Electoratus Bavariae Tabula Chorographica von 1687 lässt sich die damalige Situation gut nachvollziehen. Nur die Grafschaft Königsegg-Rothenfels liegt außerhalb dieser Karte, die mit dem Kurfürstentum Bayern am Lech endet.

Neben den genannten reichs­unmittelbaren Herrschaften existierten außerdem noch zahlreiche reichsmittelbare Herrschaften. Sie unterstanden dem jeweiligen Landesfürsten. Reichsmittelbar waren vor allem viele Klöster wie beispielsweise Ettal, Benediktbeuern oder Tegernsee. Die Klöster waren stets darauf bedacht, ihre Besitzungen gegenüber den bayerischen Landgerichten exakt abzugrenzen.

Mit der Säkularisation und der napoleonischen Flurbereinigung Anfang des 19. Jahrhunderts endete die kleinteilige Herrschafts­struktur. Kirchlicher Besitz wurde weitgehend verstaatlicht. Salzburg kam zu Österreich, Berchtesgaden zu Bayern usw. Grenzzeichen, die nicht auf der bayerisch-österreichischen Landesgrenze lagen, verloren ihre rechtliche Bedeutung.

Ehemalige Dreiländerecken in den Bayerischen Alpen

Grenzstein am Dreiländereck bei Füssen mit dem bischöflichen Wappen des Hochstifts Augsburg.

Bis zur Säkularisation gab es in den Bayerischen Alpen gleich mehrere Dreiländerecken.
Eines davon lag auf dem Schwarzenberg bei Füssen. Das ehemalige Dreiländereck5 am Schwarzenberg ist heute ein beliebter Aussichts­punkt. Noch immer verläuft dort die Grenze zwischen Bayern und Tirol. Der Dritte im Bunde war das Hochstift Augsburg, von dem ein prächtiger alter Grenzstein zeugt. Füssen gehörte nämlich bis zur Säkularisation zum Hochstift Augsburg. Der Besitz fiel dann kurzzeitig an die Reichsstadt Augsburg und schließlich 1805 an das neu gegründete Königreich Bayern.

Ein außergewöhnlich schmucker Grenzstein von 1818 existiert auf dem Scheibelberg6 bei Reit im Winkl im Chiemgau. Der säulenartige Grenzstein am Scheibelberg steht im Schnittpunkt von Bayern, Tirol und Salzburg. Alle drei Landeswappen sind auf ihm abgebildet. Genau wie der Stein auf dem Schwarzenberg ist er bis heute offiziell gültig.

Der Name des Dreisesselbergs bei Bad Reichenhall7 erinnert daran, dass auf dem Gipfel einst das Kurfürstentum Bayern, das Fürst­erzbistum Salzburg und die Fürst­propstei Berchtesgaden zusammen­trafen. Einen historischen Grenzstein gibt es auf dem Dreisesselberg jedoch nicht mehr. Vielleicht wurde er bei der Grenz­bereinigung von 1851 entfernt. Seitdem liegt der Berg komplett in Bayern.

Umstrittene Grenzverläufe

Werdenfelser Felsmarch am Franzosensteig bei Mittenwald.

Bis in die Neuzeit hinein basierten viele Grenzen hauptsächlich auf Grenz­beschreibungen. Denn Grenzsteine waren teuer und wurden nur an besonders wichtigen Stellen aufgestellt. Wo klare natürliche Strukturen wie etwa ein Fluss fehlten, boten die Grenz­beschreibungen viel Freiraum für Interpretation. Es konnten auch mehrere widersprüchliche Texte existieren. Daraus resultierten häufige Grenzstreitigkeiten, so dass die Grenzen mit der Zeit immer genauer abgesteckt wurden.

Die Grafschaft Werdenfels beanspruchte beispielsweise in ihrer selbst verfassten Grenz­beschreibung von 1316 das Leutaschtal und das Karwendeltal für sich. Die mächtigere Grafschaft Tirol hatte dagegen ganz andere Vorstellungen vom Grenzverlauf und konnte diesen Stück für Stück nach Norden verschieben. Angesichts der schwedischen Bedrohung im Dreißigjährigen Krieg errichtete Tirol 1632 kurzerhand die Befestigungsanlage Porta Claudia8 auf Werdenfelser Boden. Der unerlaubte Bau direkt vor der Haustür sorgte in Mittenwald für große Verärgerung. Dennoch waren damit Fakten geschaffen, die schließlich 1766 in einem Grenzvertrag festgeschrieben wurden und den Grenzverlauf bis heute bestimmen. Die beiden Jahreszahlen auf der abgebildeten Felsmarch bei Mittenwald zeigen, dass diese Stelle im Grenzvertrag zwischen Bayern und Österreich 1844 bestätigt wurde.
Zwei Jahreszahlen sind übrigens nichts Ungewöhnliches. Es gibt sogar Felsmarchen mit drei oder mehr Jahreszahlen.

Grenzsteine dokumentieren und bewahren

Dieser Grenzstein im Freilichtmuseum Glentleiten markierte einmal die Grenze zwischen dem Kloster Schlehdorf (CS) und dem Landgericht Weilheim (LW).

Von Zufallsfunden bei Baumaßnahmen oder Waldarbeiten einmal abgesehen sind es vorwiegend engagierte Heimatforscher, welche die historischen Grenzsteine und Felsmarchen aufspüren. Die Recherche in alten Dokumenten und die Suche vor Ort im Gelände sind eine zeitaufwändige Beschäftigung, die großen Respekt verdient.

Historische Grenzmarkierungen sind wertvolle Kleindenkmäler, die unbedingt dokumentiert und bewahrt gehören. Einige besitzen ein Alter von 500 Jahren oder mehr.
Gelegentlich finden Grenzsteine ihren Weg in die Museen. So wurden im Freilichtmuseum Glentleiten9 einige Steine aufgestellt und genau beschrieben. Im Idealfall verbleiben sie aber an ihrem ursprünglichen Standort. Die exakte Position ist bereits für sich genommen eine wichtige Information, welche nicht verloren gehen sollte.
Besonders bedeutende Grenzsteine und Felsmarchen sind übrigens im Bayerischen Denkmal-Atlas vermerkt. Allerdings muss man deren ungefähre Lage kennen, um die Einträge zu finden. Ein paar Exemplare können außerdem im Virtuellen Bayern detailliert betrachtet werden.

Hinweise vor Ort gibt es zu Grenzzeichen leider kaum. Während etwa rings um Eisenberg und Hohenfreyberg mehrere Schautafeln die beiden Burgen ausführlichst behandeln, werden die Besucher nirgends auf die 11 so genannten Malefizsteine aufmerksam gemacht, die einst den Gerichtsbezirk markierten.