Gerettete Landschaften
40 Wanderungen zu bayerischen Naturschutzerfolgen
Der Naturschutz in Bayern hat oftmals einen schweren Stand. Angesicht ständig neuer Brennpunkte geraten seine Erfolge leicht in Vergessenheit. Grund genug für einen ganz speziellen Wanderführer, der uns einige Landschaften vorstellt, die nur dank engagierter Naturschützer noch existieren.
Stand:
Viele Landschaften wären fast zerstört worden

Zum 100-jährigen Jubiläum des BUND Naturschutz in Bayern erschien 2013 der Rother Wanderführer Gerettete Landschaften mit 40 Wanderungen zu bayerischen Naturschutzerfolgen. Die beiden Autoren Winfried Berner und Ulrike Rohm-Berner leisteten dafür eine großartige ehrenamtliche Recherchearbeit. Zunächst befürchteten sie, nicht genug Touren zu finden. Doch schnell stellte sich heraus, dass der Naturschutz weit mehr Erfolge vorweisen kann als gedacht.So mannigfaltig wie die bayerische Natur sind auch die vorgeschlagenen Touren.Manche führen in die Wildnis, andere durch gewachsenes Kulturland. Es gibt renaturierte Moore, naturnahe Flussabschnitte und noch vieles mehr zu sehen. Neben einer detaillierten Wegbeschreibung und der ökologischen Bedeutung der jeweiligen Landschaft, beschreiben die Autoren auch den oft langwierigen Kampf um deren Erhalt.
Allein mehr als ein Dutzend Wanderungen liegen im südlichen Alpenvorland. Einen weiteren Schwerpunkt bildet der Fränkische Jura.
Wie Prof. Dr. Hubert Weiger im Vorwort konstatiert, gibt es in Bayern kaum ein wertvolles Stück Natur, dessen Existenz nicht schon mindestens einmal bedroht gewesen wäre. Viele für den Tourismus wichtige Landschaften wären fast zerstört worden.
Beklagt wird außerdem, dass die Bilder geretteter Landschaften [...] die Erfolgsbilanzen offizieller Stellen
schmücken, während diejenigen unerwähnt bleiben, welche einst den Schutz dieser Landschaften gegen ebendiese offiziellen Stellen durchsetzten.
100 Jahre bis zum Nationalpark Berchtesgaden

Den vielleicht größten Erfolg für den bayerischen Naturschutz bildet der Nationalpark Berchtesgaden. Heute ist der Nationalpark ein Tourismusmagnet und niemand bedauert, dass es bei St. Bartholomä kein Hotel gibt oder auf den Watzmann keine Seilbahn fährt. Die Widerstände waren jedoch gewaltig. Von der ersten Idee bis zur Umsetzung verging fast ein Jahrhundert. Direkt an der Grenze zum Nationalpark geht der Erschließungsdruck allerdings ungebrochen weiter, wie der Erlebnisberg am Jenner zeigt.
Zum Kennenlernen des Nationalparks Berchtesgaden schlagen die Autoren das Wimbachtal vor– eine wirklich schöne, einfache Wanderung durch die spannende Wimbachklamm zur Wimbachgrieshütte.
Zweimal gerettet, der Geigelstein

Einen besonders langen Atem benötigten die Naturschützer unter Führung von Hans Steinbichler am Geigelstein, dem Chiemgauer Blumenberg. Gleich zweimal musste er gerettet werden, 1979 vor einer Skischaukel und 2005 vor einem Fahrweg mitten durch das Naturschutzgebiet zur Roßalm. Nur eine Klage des BUND Naturschutz konnte das verhindern. Unglaublich, dass sich der DAV nicht daran beteiligen wollte.
Das Beispiel Geigelstein verdeutlicht, dass für den Landschafts- und Artenschutz letztlich alle ein wenig zurückstecken müssen. Almbauern genauso wie Wanderer oder Skitourengeher. Manche Gebiete sind am Geigelstein zeitweise gesperrt, andere sogar dauerhaft. Naturschutz ist eben nicht zum Nulltarif zu haben.
Hoffnung für die renaturierten Moore

Das südliche Alpenvorland beherbergt ausgedehnte Torfmoore. Sie entstanden durch die Verlandung nacheiszeitlicher Seen.
In der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts hinterließ der industrielle Torfabbau tiefe Wunden in den Moorgebieten. Durchschnittlich ein Millimeter im Jahr wächst der Torf in einem intakten Moor. Was in wenigen Jahrzehnten entnommen wurde, braucht Jahrhunderte, um nachzuwachsen. Auch in diesem Fall war es ein langer Kampf, bis der Torf endlich im Moor bleiben durfte. Inzwischen wurden viele Moore renaturiert und stehen unter Naturschutz. Mit den Kendlmühlfilzen, dem Werdensteiner Moos sowie dem Murnauer Moos werden im Wanderführer gleich drei wertvolle Moore vorgestellt.
Das Murnauer Moos als größtes Feuchtgebiet Mitteleuropas stellt einen Sonderfall dar, weil es gleich mehrfach bedroht war. Insbesondere der Gesteinsabbau an den Köcheln stellte einen massiven Eingriff dar und endete erst im Jahr 2000. Eine Müllverbrennungsanlage konnte zum Glück von vorneherein gestoppt werden.
Olympia Ade

Wer hätte das gedacht! Selbst massive Propaganda von Seiten der Politik konnte die Bürger nicht davon überzeugen, ein Stück ihrer Heimat für die Olympischen Winterspiele 2022 zu opfern. Das Märchen von den nachhaltigen Spielen wollte niemand so recht glauben. 2013 fanden in München, Garmisch-Partenkirchen, dem Landkreis Traunstein und dem Berchtesgadener Land Bürgerentscheide statt. Die Bevölkerung stimmte überall mehrheitlich gegen Olympia. Ein hoffnungsvolles Zeichen. Die Bürger wollen ihre Heimat schützen, die Politik steckt noch in Denkmustern aus der Vergangenheit fest. Die Bayerischen Alpen sind die olympische Gefahr damit wohl endgültig los. Exemplarisch für diesen großartigen Naturschutzerfolg steht eine Rundwanderung bei Ohlstadt, wo ein Biathlonstadion hätte entstehen sollen.
Der Kampf für die Natur geht weiter
Wie die Autoren betonen, darf man sich nicht der Illusion hingeben, dass es möglich wäre, Landschaften ein für alle Mal zu retten. Die Bedrohung durch wirtschaftliche Interessen bleibt immer latent vorhanden.Manche Projekte kehren Wiedergängern gleich von Zeit zu Zeit zurück.Da ist es gut, wachsam zu bleiben. Auf Grund dieser Erfahrung lösen sich Bürgerinitiativen trotz Erfolgs teilweise nicht mehr auf, sondern verharren im Stand-by-Zustand.
Neuerdings wird gerne die Energiewende herangezogen, um längst in der Versenkung verschwundene Pläne für Wasserkraftwerke zu reaktivieren oder neue zu schmieden. Bei starken ökonomischen Interessen schreckt nicht einmal ein mehrfacher Schutz ab. Sogar die Zone C des Alpenplans kann zur Verhandlungsmasse werden, wie der Fall des Riedberger Horns zeigte. Allenfalls die Nationalparks sind wohl dauerhaft gesichert. Gerade die Politik, die eigentlich mit gutem Beispiel vorangehen müsste, versucht immer wieder, Naturschutzgesetze zu umgehen oder auszuhebeln. Hoffen wir, dass trotzdem viele derzeit noch bedrohte Landschaft bald zu den geretteten gezählt werden können.