Burgenwanderungen
Ruinen und Burgställe in den Bayerischen Voralpen
Vollständig erhaltene Burgen existieren in den Bayerischen Voralpen zwar keine mehr, doch es gibt eine ganze Reihe von Ruinen, Burgställen und Nachfolgebauten. Sie alle liegen eingebettet in eine wundervolle Landschaft, die je nach Geschmack zu leichten Talwanderungen oder zünftigen Gipfeltouren einlädt. So dürftig sich die Reste der Wehrbauten auch teilweise darstellen, umso bewegter ist ihre Geschichte. Insbesondere für lokalhistorisch Interessierte hält sie manche Überraschung bereit.
Die Räuber von der Schaumburg

Hoch über Ohlstadt ragt ein Felssporn aus dem Wald heraus. Archäologische Funde belegen, dass der Ort schon in der Bronze- und Eisenzeit von Menschen genutzt wurde. Die mittelalterliche Schaumburg1, auch Schauenburg oder einfach nur Veste genannt, taucht ab dem 11. Jahrhundert in den Quellen auf.
Wie die steinerne Burg aussah, lässt sich nicht mehr rekonstruieren, da keine Mauern übrig geblieben sind. Recht viel mehr als ein Wohnturm konnte auf dem kleinen Felsplateau kaum Platz gefunden haben.
Beachtenswert ist die in den Fels geschlagene Zugangstreppe. Die Burg musste gut zu verteidigen, aber mühsam zu versorgen gewesen sein.
Als Verwaltungssitz oder zur Kontrolle der Straße im Tal unten stand sie zu abgelegen. Sie war deshalb wohl eher eine Art Fluchtburg, in die man sich bei Gefahr zurückziehen konnte. Vielleicht diente sie aber auch einfach nur der Machtdemonstration.
Belastbare Erkenntnisse zur Geschichte der Schaumburg gibt es kaum, doch dafür existieren umso mehr Sagen.Vor allem die Klüfte und Spalten im Burgfelsen geben Raum zu allerlei Spekulationen.Führen sie zu einer verborgenen Schatzkammer oder einem geheimen Fluchtstollen? Wohl eher nicht. Der Heimatforscher Andreas P. Kaiser konnte jedenfalls die Existenz eines Fluchtstollens widerlegen.
Sicher belegt ist dagegen, dass sich Anfang des 15. Jahrhunderts auf der damals bereits verlassenen Burg Räuber einnisteten. Der rege Rottverkehr durch das Loisachtal versprach fette Beute. Doch das Räuberglück währte nur kurz. Der Räuberhauptmann Schneeberger mit seinen Kumpanen wurde gefangen und in Murnau hingerichtet.
Zwischen 1485 und 1493 besaß den Burgstall dann ein gewisser Oswald von Weichs. Nach einer Sage versteckte der Ritter von Weichs einen Schatz im Bereich der Kaseralm, offenbar eine Forterzählung der Geschichte von der Goldmine im Heimgarten, die genau wie der Ritterschatz bis heute die Fantasie anregt.

Wenn man auf dem Rückweg bei den nahe gelegenen Kaltwasserfällen vorbeischaut, ergibt sich eine nette, kleine Wanderung. Wer höher hinaus will, kann von der Schaumburg über die Bärenfleckhütte zum Heimgarten aufsteigen.
Feuer auf der Hohenburg

Die Hohenburg2 bei Lenggries war 600 Jahre lang das Herrschaftszentrum des Isarwinkels. Mehrmals wechselten die Besitzer. Im Spätmittelalter gehörte sie der bekannten bayerischen Adelsfamilie der Maxelrainer.
Ab dem 16. Jahrhundert durchlief die Hohenburg den Prozess der Umgestaltung vom mittelalterlichen Wehrbau zum repräsentativen Schloss. Burgen verloren damals durch die Entwicklung von Feuerwaffen ihre strategische Bedeutung. Gleichzeitig stieg der Anspruch an den Wohnkomfort. Viele Burgen wurden deshalb aufgegeben und verfielen. Andere baute man im Stil der Renaissance zu behaglichen Burgschlössern um.
Leider überlebte der stattliche Bau der Hohenburg aus dem 17. Jahrhundert den Spanischen Erbfolgekrieg nicht. Damals war Bayern von Österreich besetzt und auf der Hohenburg waren ungarische Husaren untergebracht.Wohl aus Unachtsamkeit verursachten die Besatzer im Jahr 1707 einen Brand, bei dem die Hohenburg weitgehend zerstört wurde.Die Ruine diente fortan als Steinbruch, unter anderem für das neue Schloss, welches in geringer Entfernung zur ehemaligen Burg entstand. Bei der Abtragung ging man gründlich vonstatten, so dass heute nur noch wenige Grundmauern übrig geblieben sind.
Der Förderverein Burgruine Hohenburg e. V. kümmert sich liebevoll um den Erhalt und die Erforschung. 2014 wurde ein Lehrpfad mit fünf Schautafeln eingerichtet, der unter anderem über die Baugeschichte informiert und historische Ansichten zeigt. Noch mehr über die Hohenburg lässt sich im Heimatmuseum Lenggries erfahren, das der Burg einen eigenen Raum widmet.

Nach dem Besuch der Burgruine kann man noch nebenan beim Hohenburger Weiher vorbeischauen und zum Lenggrieser Kalvarienberg hinaufsteigen.
Wer mehr Zeit mitbringt, könnte auch eine Runde durch die idyllische Lenggrieser Haglandschaft drehen und anschließend auf der Denkalm einkehren. Die beliebteste Tour der Gegend führt über die Lenggrieser Hütte (DAV) auf das Seekarkreuz. Aber das ist schon ganz schön weit.
Der Zahn der Zeit nagt an der Ruine Kirnstein

Das mächtige Grafengeschlecht der Falkensteiner errichtete im bayerischen Unterinntal im 12. Jahrhundert eine Reihe von Burgen. Ihr Territorium erstreckte sich damals im Norden vom Mangfallknie bis in den Chiemgau. Sie besaßen noch zahlreiche weitere Burgen, etwa bei Hartmannsberg auf der Eggstätt-Hemhofer Seenplatte und auf dem Schlossberg in Neubeuern, von der noch der Bergfried übrig blieb. Letztlich nützten ihnen die ganzen Befestigungen jedoch nichts.Im Konflikt zwischen den Andechs-Meraniern und den Wittelsbachern standen die Falkensteiner auf der falschen Seite.Sie wurden von den Wittelsbachern besiegt und verschwanden von der Bildfläche. Die Befestigungen der Falkensteiner im Inntal fielen an die Wittelsbacher. Heute sind die Burgen allesamt verfallen, wobei sich der Erhaltungszustand recht unterschiedlich darstellt.
Sanierungsbedürftig wäre insbesondere die Burgruine Kirnstein3. Sie liegt abseits der üblichen Wanderwege zu Füßen des Wildbarrens. Vielleicht erfährt sie deshalb wenig Pflege. Das Gelände ist stark überwuchert, die Ruine im Inneren fast völlig verschüttet. Viele Teile sind baufällig. Die notdürftig angebrachten Sicherungen wirken hilflos und können den fortschreitenden Verfall kaum aufhalten. Einerseits wären Sanierungsmaßnahmen dringend erforderlich. Andererseits hat der einsame Ort so auch etwas Romantisches.Kirnstein war einst strategisch überaus günstig gelegen.Genau dort wo Kirnstein steht, verengt sich das Inntal zwischen dem Wildbarren und dem Kranzhorn auf eine Breite von nur noch 500 Metern. Als die Burg im Hochmittelalter entstand, beanspruchte der Inn an dieser Stelle noch den gesamten Talboden für sich. Verkehrswege mussten in die Seitenhänge ausweichen. Die Straße dürfte direkt an der Burg vorbeigeführt haben.

Bei einer Anreise mit den öffentlichen Verkehrsmitteln steigt man am Bahnhof in Flintsbach aus. Auf Talwanderwegen geht es dann über Fischbach am Inn zur Ruine Kirnstein. Das dauert eine gute Stunde. Alternativ könnte man auch am Bahnhof Oberaudorf loswandern und gelangt über Niederaudorf nach Kirnstein, was etwa genauso weit ist. Autofahrer parken im Süden des Burgbergs fünf Minuten von der Ruine entfernt. Der Weg ist beschildert.
Empfehlenswerte Tourenziele in der unmittelbaren Umgebung wären der Bichlersee und die Hohe Asten.
Aus der Brannenburg wird ein Märchenschloss

Mitte des 16. Jahrhunderts entstand aus der Burg dann ein stilvolles Renaissanceschloss. Heute wäre man froh um so ein original erhaltenes Renaissanceschloss. Doch es sollte anders kommen. Denn im 19. Jahrhundert folgte eine weitere grundlegende Umgestaltung, diesmal zu einem neugotischen Märchenschloss.
Im Zeitalter der Romantik idealisierte und verklärte man damals vergangene Epochen, insbesondere das Mittelalter. Das führte zu einer Wiederbelebung alter Baustile aus dem Mittelalter, die in veränderter, meist verspielterer Form als Neuromanik und Neugotik auftraten. Manch ein gotischer Dom, der seit dem Mittelalter unvollendet dagestanden hatte, wurde im 19. Jahrhundert endlich fertiggestellt. Und auch viele Schloss- oder Burgbesitzer, die an den neuen Baustilen Gefallen fanden, ließen ihren Besitz entsprechend dem Zeitgeist verändern.

Noch mehr Burgenwanderungen
Neben den genannten Beispielen gibt es in den Bayerischen Voralpen noch eine ganze Reihe weiterer Burgruinen.
- Über dem Schliersee liegt im Wald versteckt die verwunschene Burgruine Hohenwaldeck5. Wegen der einsturzgefährdeten Mauern bleibt sie bis auf Weiteres gesperrt. Man sieht aber auch von außen einiges. Am besten besucht man die Ruine im Rahmen einer gemütlichen Wanderung um den Schliersee.
- Bei Flintsbach am Inn steht die recht gut erhaltene, umfassend sanierte und dokumentierte Burgruine Unter-Falkenstein6. Das landschaftsprägende Denkmal ist sehr bekannt, weil sich dort der Ausgangspunkt für die beliebte Wanderung auf den Petersberg und zur Hohen Asten befindet.
- In der Nähe von Oberaudorf verbirgt sich mit dem Grafenloch7 eine der wenigen Höhlenburgen Bayerns. Ebenfalls lohnend ist die Ruine Auerburg8 auf dem Schloßberg von Oberaudorf. Das Grafenloch und die Auerburg lassen sich gut zu einer schönen Wanderung verbinden mit optionaler Besteigung des nahen Nußlbergs.