Buckelwiesen im Werdenfels
Wie sind sie entstanden?
Die größten zusammenhängenden Buckelwiesen der Alpen existieren bei Mittenwald im Werdenfelser Land. Sie sind schön anzusehen und zugleich von hohem ökologischem Wert. Über die Entstehung der Buckelfluren wurde viel gerätselt. Erklärt werden können sie letztlich nur durch ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren.
Stand:
Buckelwiesen als Sonderfall der Buckelfluren

Nicht jede mit Gras bewachsene Buckelflur zählt zu den Buckelwiesen. Voraussetzung dafür ist, dass sie gemäht und nicht beweidet wird. Die Mahd findet meist einmal im Jahr statt, bei sehr mageren Standorten auch nur jedes zweite Jahr. Echte Buckelwiesen werden außerdem nicht gedüngt.
Für die Landwirtschaft bedeuten Buckelwiesen vor allem einen hohen Arbeitsaufwand, denn sie müssen mühsam mit der Sense oder dem Balkenmäher von Hand gemäht werden.
Viele wurden deshalb eingeebnet. Dies trifft besonders auf das Alpenvorland und die Tallagen zu. Die übrig gebliebenen Buckelwiesen stellten die Bauern zum Teil auf Beweidung um oder gaben sie ganz auf. Brach liegende Wiesen verbuschen aber allmählich und verlieren dadurch an ökologischem Wert. Durch öffentliche Fördergelder, private Spenden sowie das Engagement der Eigentümer konnte im Raum Mittenwald immerhin ein bedeutender Teil gerettet werden.
Buckelfluren sind auch auf Almlichten zu sehen. Diese Buckelweiden sind weniger gefährdet als die Buckelwiesen, weil es keinen Grund gab, sie zu planieren. Der überwiegende Teil aller Buckelfluren wird von Wäldern bedeckt. Allerdings lassen sich diese in ihrer genauen Ausdehnung schwer erfassen.
Karsttheorie

Häufig werden Buckelfluren als Karsterscheinung erklärt. In verkarstungsfähigen Gesteinen bilden sich durch chemische Lösungsprozesse Spalten und Hohlformen. An diesen Schwachstellen kann der Boden nachgeben. Einige Karstgebiete gleichen mit ihren Dolinentrichtern einer Kraterlandschaft.
Dolinentrichter sind jedoch meistens deutlich größer als die Vertiefungen der Buckelfluren, welche bestenfalls einen Durchmesser von wenigen Metern erreichen. Damit eine Höhle einstürzt, muss sie ganz andere Dimensionen haben. Dolinenfelder weisen auch kein derart regelmäßiges Muster auf, wie es bei den Buckelwiesen zu sehen ist. Außerdem wirken Dolinen wie Schlucklöcher, in denen das Wasser sofort verschwindet. Das passt nicht recht zu der Beobachtung der feuchten Mulden auf den Buckelwiesen, in denen sich das Wasser lange hält.
Im Einzelfall mag die Verkarstung durchaus eine Rolle spielen. Als Erklärung für die Entstehung der Buckelfluren als Ganzes taugt sie aber nicht. Denn diese treten auch im Alpenvorland auf, wo gar kein verkarstungsfähiges Gestein im Untergrund vorhanden ist.
Frosttheorie
Die Frosttheorie vermutet, dass sich die Buckel am Ende der letzten Kaltzeit durch mehrmaliges, tiefgründiges Gefrieren aufgefaltet hätten. Grund seien horizontale Spannungen im Boden gewesen. Ähnlich wie sich der Asphalt von Autobahnen bei großer Hitze aufwölbt.
Wirklich überzeugen kann die Frosttheorie nicht. Richtig ist aber immerhin, dass sich gefrorener Boden ausdehnt und deshalb nach oben ausweichen muss. Doch Kies und Sand kann auf kleinstem Raum umgelagert werden, ohne dass sich der Boden dabei wellenförmig auffalten muss. Die Bestandteile im Boden sind schließlich nicht wie im Asphalt fest miteinander verklebt.
Würde das von der Frosttheorie beschriebene Phänomen wirklich existieren, müsste es in Gebieten mit Permafrost oder in harten Wintern ebenfalls zu beobachten sein.
Bodenbeschaffenheit

Der entscheidende Schlüssel, um das Phänomen der Buckelfluren zu verstehen, ist die Beschaffenheit des Bodens. Hierbei zeigt sich, dass sie hauptsächlich auf Grundmoränen oder Flussterrassen zu finden sind. Das heißt, der Boden besteht aus Lockermaterial – vor allem Kies, Sand und Schluff.
Durch den Prozess der Entkalkung verwittert das Moränenmaterial von oben nach unten. Dabei löst das kohlensäurehaltige Regenwasser den Kalk aus dem Geschiebe, so dass die oberste Schicht mit der Zeit in einen Mergel- oder Lehmboden umgewandelt wird. Mit zunehmender Tiefe nimmt der Verwitterungsgrad ab.
Grabungen in den Buckelfluren der Alpen sowie anderen Gebirgen zeigen stets ein gestörtes Bodenprofil. Teilweise liegen weniger stark verwitterte über stärker verwitterten Schichten.
Irgendeine Regelmäßigkeit im Bodenaufbau der Buckelfluren lässt sich anhand der bisher durchgeführten Grabungen nicht erkennen. Die ursprüngliche Annahme, der Boden wäre unter den Vertiefungen stärker verwittert als unter den Buckeln, konnte nicht als allgemeingültig bestätigt werden.
Windwurftheorie
Für das gestörte Bodenprofil der Buckelfluren gibt es nur eine sinnvolle Erklärung. Die Umschichtung muss durch einen Windwurf erfolgt sein, bei dem viele Bäume entwurzelt wurden. Angesichts des langen Zeitraums von 12 000 Jahren seit dem Ende der Würm-Kaltzeit wurde die Oberfläche wohl sogar durch mehrere Windwürfe modelliert.
Wenn ein Wurzelstock herausgerissen wird, hinterlässt er nicht nur ein Loch, sondern schaufelt zugleich den Boden um. Schwächer verwittertes Material von weiter unten landet über der obersten Bodenschicht. Der darüberliegende Wurzelstock stabilisiert das Ganze.
Vom Durchmesser entsprechen die Dellen mit ihren wenigen Metern der Wurzelstockgröße von Bäumen, was die Windwurftheorie zusätzlich untermauert. Die anderen Theorien liefern für den Durchmesser keine Begründung.
Der Einfluss des Föhns
Im Januar 1919 tobte in den Alpen ein schwerer Föhnsturm. Damals wurden unter anderem in der Valepp mehrere Quadratkilometer Wald zerstört. Der Bockerlbahnweg am Spitzingsee erinnert an die Ereignisse. Tausende Arbeiter waren damit beschäftigt, das Holz abzutransportieren und alles wieder aufzuforsten. Vielleicht wären sonst neue Buckelfluren entstanden.Die Lage der bisher erfassten Buckelfluren deutet auf einen gewissen Zusammenhang mit den Einfallstoren des Föhns hin. Da viele eingeebnet wurden oder von Wald bedeckt sind, existiert allerdings kein klares Bild von ihrer tatsächlichen Verbreitung. Immerhin ist das aber ein weiteres Indiz für die Windwurftheorie.
Das Inntal bildet eines der Haupteinfallstore für den warmen Föhnwind aus dem Süden. Dies wirkt sich auch auf seine Seitentäler aus. Die Gegend um Mittenwald und Garmisch-Partenkirchen wird immer wieder von heftigen Föhnstürmen heimgesucht. Das wäre eine Erklärung, warum Buckelfluren dort besonders verbreitet sind.
Bergsturzgelände als Sonderfall

Normalerweise hinterlassen Bergstürze jede Menge groben Blockschutt und riesige Felsbrocken. Das ist kein Standort für Wiesen, sondern für Wälder. Doch weichere Gesteine können auch zu feinem Material zerbröseln und eine hügelige Landschaft hervorbringen. So geschah es am so genannten Boschet bei Ohlstadt. Man sieht dort gleich, dass diese Buckel im Gegensatz zu den Werdenfelsern weniger regelmäßig angeordnet sind und recht unterschiedliche Größen aufweisen. Dennoch könnte zum Teil auch im Boschet eine Überformung durch Windwurf stattgefunden haben.
Wandervorschläge

Ein Ausflug zu den Werdenfelser Buckelwiesen lohnt sich vor allem im späten Frühling, wenn sie in voller Blüte stehen. Bis zu 200 Arten sollen auf ihnen zu finden sein, darunter Mehlprimel, Bachnelkenwurz, verschiedene Enziane und mehrere Nelkenarten.
Besonders schöne Flächen existieren an der Ostseite des Hohen Kranzbergs im Bereich des Wildensees.
Auch an anderen Stellen im Werdenfelser Land findet man noch kleinere Bereiche, so beispielsweise am Grubsee bei Klais, außerdem im Loisachtal oberhalb von Farchant auf den Reschbergwiesen sowie auf der Südseite des Wanks beim Gschwandtnerbauer, alles lohnende Ziele zum Wandern.