Der Weg des Holzes
Holzknechte in den bayerischen und Tiroler Alpen
So reich die Alpen auch an Holz sind, so schwer lassen sich die vielerorts unzugänglichen Wälder bewirtschaften. Das galt umso mehr in früheren Zeiten, als die gefällten Bäume noch mühsam über Ziehwege, Loiten und Gebirgsbäche transportiert werden musste. Doch wie genau wurde das bewerkstelligt und wie sah der Arbeitsalltag der Holzknechte im Gebirge aus?
Stand:
Harter Alltag, karge Kost

Erst wenige Generationen ist es her, dass die Holzarbeit noch ganz ohne den Einsatz von Maschinen vonstattenging. Besonders hart war die Arbeit für die Holzer in den Gebirgsregionen. Wegen der oft schwer erreichbaren Einsatzorte mussten sie meistens die ganze Woche in einfachen Hütten oder Rindenkobeln fernab ihrer Familien wohnen.
Der Arbeitstag begann im Sommer schon zwischen vier und fünf Uhr in der Früh. Wind und Wetter ausgesetzt, schufteten die Holzknechte tagein, tagaus in unwegsamem Gelände.Nicht selten betrug die Arbeitszeit über zehn Stunden.Zu essen gab es vornehmlich Muas, einen nahrhaften Brei aus Mehl mit Butter oder Schmalz. Manchmal mischten die Holzer Wildbeeren dazu. Als Kraftnahrung war das Muas sicher gut geeignet, aber auf Dauer wohl doch ziemlich eintönig.
Das Fällen von Bäumen verrichteten ausschließlich Männer, wobei sich daran ja bis heute kaum etwas geändert hat. Frauen arbeiteten allerdings manchmal auch im Holz, und zwar im Frühjahr als Pflanzerinnen.
Holzarbeit ist und bleibt gefährlich – trotz modernster Ausrüstung und Arbeitsschutzbestimmungen. Früher war das Verletzungsrisiko noch weitaus größer. Im Gebirge kam erschwerend hinzu, dass die Arbeit oft in abgelegenen, nur schlecht zugänglichen Gebieten stattfand. Bis ein Schwerverletzter von dort zu einem Arzt gebracht werden konnte, war es manchmal schon zu spät.
Ungeachtet ihres entbehrungsreichen Alltags geht aus den Berichten von Zeitzeugen hervor, dass die Holzknechte ihrem Arbeitsleben auch gute Seiten abgewinnen konnten, zumindest im Rückblick. Aus heutiger Perspektive erscheinen die Bedingungen nahezu unerträglich. Doch die Menschen waren mit ihrem Dasein nicht unbedingt unzufriedener als wir. Verklären oder romantisieren sollte man es trotzdem nicht.
Filmtipp: Einen guten Einblick in die Arbeit der Holzknechte in früheren Zeiten bietet die Dokumentation Der Holzrücker vom Grödnertal aus der Sendung Der Letzte seines Standes? vom Bayerischen Rundfunk. Im ersten Teil geht es unter anderem um das Holzfällen und das Entrinden, im zweiten Teil um den Holztransport mit Pferden.
Holzbringung mit Riesen und Loiten

In vorindustrieller Zeit erfolgte die Holzbringung im Gebirge vor allem mittels der Schwerkraft. Die heute brachial anmutenden Techniken führten zu erheblichen Schäden und Verlusten am Holz. Am Königssee beispielsweise wurden die Stämme im so genannten trockenen Holzsturz einfach von den Felswänden mehrere Hundert Meter tief in den See geworfen. Der nasse Holzsturz erfolgte über den steilen Königsbach, bekannt durch seine fotogenen Wasserfälle und Gumpen. Diese sicherlich sehr beeindruckenden Schauspiele konnten wohl kaum alle Stämme unbeschadet überstehen.
Die originelle Lösung am Königssee war natürlich eher die Ausnahme. Um die Stämme möglichst geordnet und sicher über die Berghänge ins Tal zu befördern, baute man üblicherweise hölzerne Rutschen. Je nach der Bauweise heißen sie Loiten oder Riesen. Bei den einfacheren Loiten wurden lose Stämme zu einer Rinne zusammengelegt und wenn nötig seitlich abgestützt. Waren alle Stämme im Tal, baute man die Loite von oben her ab.
Holzriesen waren im Gegensatz zu den Loiten auf Dauer angelegt, wobei sie normalerweise um die zehn Jahre hielten. Die Stämme wurden in Zimmermannsarbeit miteinander verzapft und mit Nägeln befestigt. Über oder durch Schluchten und Gräben errichtete man teilweise aufwändige Ständerbauwerke. Holzriesen waren einst weit verbreitet. Zahlreiche Bergnamen, wie die Hochries im Chiemgau oder der Große Riesenkopf bei Flintsbach am Inn erinnern noch daran.
Bis zum Beginn der maschinellen Holzfällung wurden Baumstämme grundsätzlich entrindet. So konnten sie besser übereinandergleiten. Zusätzlich ließ man über die Holzrutschen Wasser fließen. Am besten funktionierten die Riesen im Winter, wenn Schnee und Eis sie bedeckten.
Holztrift auf wilden Gebirgsbächen

Vor der Motorisierung bildeten Fließgewässer die wichtigsten Transportwege für das Holz. Die Stämme wurden entweder lose getriftet oder zu Flößen verbunden. Auf schmalen Gebirgsbächen konnte das Holz nur getriftet werden. Hochwertiges Bauholz wurde wo immer möglich geflößt, um es unbeschadet und ohne Verluste ans Ziel zu bringen. Bei der Isar war die Flößerei ab Mittenwald möglich. Das weniger wertvolle Brennholz ließ man meistens auch auf größeren Flüssen triften. Dass dabei einzelne Stämme verloren gingen, war verkraftbar.Wegen ihrer gegenüber Laubhölzern geringeren Dichte triftete man vor allem Nadelhölzer, insbesondere Fichten.Buchenstämme gehen nämlich in nassem Zustand unter, die leichteren Fichtenstämme schwimmen dagegen trotzdem gut.
Die Trift bedeutete einen hohen Arbeitsaufwand und erforderte wasserbauliche Veränderungen von Klausen über Uferbefestigungen und Durchstichen bis hin zu Auffanganlagen. Quer durch die Loisach-Kochelsee-Moore grub man beispielsweise einen fast fünf Kilometer langen Triftkanal, damit die Stämme nicht den Umweg durch den Kochelsee nehmen mussten.

Die meisten Gebirgsbäche führen selbst während der Schneeschmelze nicht genügend Wasser für die Trift. Abhilfe schufen Stauanlagen, die so genannten Triftklausen. Es gab sie früher fast an jedem größeren Gebirgsbach. Die üblicherweise hölzernen Klausen sind inzwischen größtenteils komplett verschwunden, doch es existieren noch ein paar der steinernen Sperren jüngeren Datums, wie die Erzherzog-Johann-Klause in den Brandenberger Alpen in Tirol.
Durch Schlagen des Klausentors ließ man das aufgestaute Wasser in einem Schwall ab, so dass dieses die unter dem Tor angesammelten Stämme mit großer Wucht mitriss. Doch damit fingen die Probleme erst an. Denn viele Gebirgsbäche passieren wilde Schluchten oder sogar Klammen. Diese Engstellen waren für die Trift besonders problematisch. Die Stämme konnten sich darin leicht verkeilen und Verklausungen bilden. Das Lösen der Verklausungen war ein äußerst gefährliches Unterfangen.
Um überhaupt an die schwer zugänglichen Stellen in den Schluchten zu gelangen, benötigte man Triftsteige. Viele dieser oft waghalsigen Steiganlagen sind heute verfallen. Doch einige blieben erhalten und wurden zu gut gesicherten Wanderwegen ausgebaut, so wie in der Gleirschklamm im Karwendel oder der Weißbachschlucht in den Chiemgauer Alpen.
Filmtipp: Ein historisches Filmdokument aus den 1960er Jahren über die Holztrift bei Maria Gern im Berchtesgadener Land verdeutlich eindrucksvoll, mit welcher Wucht das Wasser die Stämme fortreißt.
Gefährliche Fahrt mit dem Hornschlitten

Hornschlitten kennt man heute als Sportgerät, mit dem waghalsige Rennen stattfinden. Entwickelt wurden sie ursprünglich von der Bergbevölkerung als stabiles Transportmittel. Mit den Hornschlitten beförderten sie Heu, Brennholz und sogar ganze Baumstämme ins Tal.
Für den Transport legte man zum Teil eigene Schlittenwege, auch Ziehwege genannt, an. Ziehwege waren befestigt, besaßen im Idealfall ein gleichmäßiges Gefälle von acht bis zwölf Prozent und eine Breite von ungefähr eineinhalb Metern. Steile Kurven oder Kehren vermied man soweit möglich. Die Fahrt war ohnehin schon gefährlich genug.Der Fahrer saß vorne auf dem Schlitten und drohte bei einem Unfall von den Baumstämmen zerquetscht zu werden.Mancherorts zeugen noch Marterl davon, dass sich bei den Fahrten mit dem Hornschlitten immer wieder Todesfälle ereigneten.
Inzwischen sind viele der alten Ziehwege unter breiten Forststraßen verschwunden oder schlicht verfallen. Einige wurden natürlich auch Teil der Bergwanderwege. Ihren ursprünglichen Zweck erkennen aber wohl die meisten Wanderer nicht mehr.
Bedeutung der Holzwirtschaft für die Bauern

In den meisten Bauernhofmuseen spielen die Holzwirtschaft und die damit verbundenen Techniken kaum eine Rolle. Dabei war Holz ein wichtiger Bestandteil der bäuerlichen Selbstversorgung. Bauern besaßen früher zwar selten eigenen Wald, verfügten aber von alters her über umfangreiche Nutzungsrechte, ohne die sie die Landwirtschaft gar nicht hätten betreiben können. Zu den gängigen Nutzungsrechten zählten die Entnahme von Bau- und Brennholz, das Rechen von Einstreu für den Viehstall oder das Mähen von Lahnergras als Viehfutter.Nicht selten kam es zu Konflikten mit den Grundherren, weil die Bauern den Wald übernutzten oder schädigten.Für die Gewinnung von Harzpech etwa rissen sie Rindenstücke aus den Stämmen. Oder sie zerstörten junge Bäume beim Mähen von Wildheu, was die Waldverjüngung beeinträchtigte. Selbstverständlich war das keine böse Absicht, sondern der schieren Existenznot geschuldet.
Doch nicht nur für den Eigenbedarf hatte der Wald Bedeutung. Manche Kleinbauern fanden darin auch Lohnarbeit. Gerade die Besitzer von landwirtschaftlichen Kleinstanwesen, den so genannten Sölden, waren auf einen Nebenerwerb angewiesen, denn ihr Grund reichte für den Lebensunterhalt nicht aus. Die Söldner arbeiteten als Handwerker, Tagelöhner oder eben als Holzknechte.
Holzknechtmuseum Ruhpolding

Das Holzknechtmuseum Ruhpolding ist eines der umfangreichsten Museen über die Geschichte und Technik der Holzwirtschaft im Gebirge. Es kann von April bis September besucht werden. Auf dem weitläufigen Freigelände bei Laubau, einige Kilometer südlich von Ruhpolding, wird die Arbeit der Holzer, Triftknechte und Köhler wieder lebendig. Etwa zwei Dutzend historische Gebäude können besichtigt werden, darunter mehrere Winterstuben, eine Köhlerhütte, ein Almkaser und ein Bauernhof. Kein anderes Freilichtmuseum befasst sich derart detailliert mit allen Facetten der Holzwirtschaft.
Neben dem Alltagsleben der Holzer in ihren abgelegenen Behausungen geht es auch um die Holznutzung und das alpine Ökosystem Wald.
Ein weiterer Schwerpunkt im Holzknechtmuseum ist die Salinenwirtschaft, die ohne die Chiemgauer Salinenwälder kaum denkbar gewesen wäre. Die Salzpfannen in Bad Reichenhall und Traunstein verschlangen Unmengen an Brennholz. Durch Erhitzen der Sole, also dem gesättigten Salzwasser, wurde dort auf den mehrere Quadratmeter großen rechteckigen Pfannen Salz gewonnen.
Viele Baumstämme, insbesondere Fichten und Tannen, fanden außerdem als Deicheln für die Soleleitung von Bad Reichenhall über Siegsdorf nach Traunstein Verwendung. Die nahezu zehntausend Holzrohre mussten immer wieder erneuert werden. Ihre Herstellung erforderte großes handwerkliches Geschick. Wie das genau geschah, wird im Museum ebenfalls erklärt.
Museum Holzerhütte in Scharnitz

Das liebevoll gestaltete Museum Holzerhütte in Scharnitz ist Teil des grenzübergreifenden Interreg-Projekts Wege des Holzes, zu dem auch das Wasmeier Freilichtmuseum am Schliersee gehört. Für das Museum in Scharnitz wurde eine historische Holzerhütte aus dem entlegenen Gleirschtal vor dem Abriss gerettet und rundum restauriert wieder aufgebaut. Den Schwerpunkt der Dauerausstellung bildet die Holzwirtschaft im Gleirschtal. Von dort wurde das Holz durch die wilde Gleirschklamm und über die Isar nach Scharnitz getriftet. Besonders aufschlussreich sind die alten Filmdokumente über die Arbeit der Holzer und die Zeitzeugenberichte. Einer der vier Räume befasst sich außerdem mit dem komplexen Lebensnetzwerk im Bergwald. Bitte beachten, dass das Museum im Winterhalbjahr geschlossen hat.