1. Geschichte
  2. Oberaudorf

Höhlenhaus Weber an der Wand

Einsiedelei, Schule, Wirtshaus

Einem Schwalbennest gleich klebt das Höhlenhaus vom Weber an der Wand am Burgberg bei Oberaudorf. Das Haus ging aus einer barock­zeitlichen Einsiedelei hervor. Dank seiner günstigen Lage an der Straße nach Italien entwickelte es sich zu einem überregional bekannten Wirtshaus. Berühmte Persönlichkeiten, darunter bayerische Könige, Kunstmaler und Dichter, kehrten dort ein. Derzeit kann es nur von außen besichtigt werden, da die Suche nach einem neuen Pächter erfolglos blieb.
Stand:

Einzigartige Lage in historischer Umgebung

Das Höhlenhaus beim Weber an der Wand schmiegt sich unter einen Überhang.

Das Höhlenhaus vom Weber an der Wand bei Oberaudorf lehnt sich an die über­hängende Südwand des so genannten Burgbergs. Der Burgberg wiederum liegt zwischen dem Schloßberg, auf dem die Ruine Auerburg steht, und dem Luegstein. Die Luegsteinwand ist vor allem wegen der mittelalterlichen Höhlenburg im Grafen­loch bekannt, eine der wenigen Höhlen­burgen Bayerns. Auf dem Burgberg gab es trotz seines Namens zwar keine Burg, jedoch eine eisenzeitliche Höhen­siedlung, deren Ursprünge bis in die Bronzezeit zurückreichen. Bei Grabungen kamen Metall­funde, Ton­scherben und Hinweise auf einfache Gebäude aus Flechtwerk zum Vorschein.Zwischen dem Burgberg und dem Schloßberg verläuft eine uralte Straße, die unter dem befestigten Burgtor hindurchführt.Früher, als der Inn noch mehr Platz beanspruchte, war die Engstelle am Burgtor der einzige Durchlass auf der West­seite des Tals. Vermutlich nutzen die Menschen diesen Weg seit dem Ende der letzten Eiszeit. Es entstand ein Saumpfad und wohl bereits zur Römerzeit eine Straße.

Anfänge als Einsiedelei

Künstlich geschaffene Einsiedlerhöhle in der Brannenburger Biber. Vielleicht war auch die Klause am Burgberg teilweise gemauert.

Zur Barockzeit erlebte das Unterinntal eine erstaunliche Blüte des Eremitentums. Damals zogen viele Rompilger durch die Gegend und manch einer fühlte sich durch die Pilgerreise zum Einsiedler­dasein berufen. Mehrere Wallfahrts­kirchen, darunter diejenige von Schwarzlack am Sulzberg bei Brannenburg, gehen auf Einsiedeleien zurück. Bis heute besetzt sind die Nußdorfer Klause in Kirchwald am Heuberg sowie diejenige zwischen Kiefersfelden und Kufstein auf der Ruine Thierberg.Der Ursprung der Eremitage zu Füßen des Burgbergs bei Oberaudorf wird auf das Jahr 1666 datiert.Der Ort war gut gewählt. Es gibt eine Quelle und eine natürliche Halbhöhle. Die über­hängende, süd­exponierte Felswand schützt vor Regen und speichert die Wärme wie ein Backofen.
Fünf Einsiedler lebten nacheinander Unter der Wand, wie es damals hieß. Ihren Unterhalt bestritten sie mit Almosen und aus einem kleinen Garten. Brennholz machten sie selber. Außerdem erteilten sie den Kindern Unterricht. 1794 starb der letzte Einsiedler Hieronymus.

Die Klause war wohl überwiegend aus Holz gebaut. Ein rätselhaftes altes Mauer­fragment in der Höhle könnte von der Klause stammen oder einem noch älteren Gebäude. Es wäre gut möglich, dass der markante Ort schon vor den Einsiedlern von Menschen genutzt wurde. Solche wetter­geschützten Unter­stände gelten überdies als typische Rastplätze von Steinzeit­jägern. Eine archäologische Untersuchung steht noch aus.

Traditionsgasthaus und Künstlertreff

Das Höhlenhaus wurde immer wieder umgebaut und erweitert. Mittlerweile besteht es aus mehreren Gebäuden.

Nachdem die Einsiedelei verweist war, erwarb sie 1809 der Weber Georg Seywald. Er errichtete das Höhlen­haus und eröffnete eine Wirtschaft. Mit Unter­stützung von König Ludwig I., der dort als Kronprinz mehrmals eingekehrt war, erhielt der Weber an der Wand 1827 die Bier­schank­gerechtigkeit. Einmal kam es zu einer gefährlichen Situation, als 1832 ein Fels­block herab­stürzte und das Gewächs­haus beschädigte. Unter einer Felswand kann das natürlich vorkommen. Weitere derartige Ereignisse sind nicht bekannt.
Nach Seywald führte sein Schwiegersohn Christoph Schober das Gasthaus mehrere Jahrzehnte sehr erfolgreich weiter.
Die sonnige Lage an der Straße Richtung Italien, der fantastische Blick zum Kaiser­gebirge und der Garten mit den duftenden Orangen­bäumen verhalfen dem Weber an der Wand zu großer Bekanntheit. Viele Persönlich­keiten von Rang und Namen kehrten dort ein, ob König Maximilian II., der Schriftsteller Franz von Kobell oder der Maler Carl Spitzweg. Die Besucher sind dank mehrerer seit 1829 geführter Gästebuch lückenlos dokumentiert. Allein über 300 Künstler der so genannten Inntalmaler verewigten sich im Gästebuch. Einige Künstler hatten offenbar wenig Geld und bezahlten das Essen mit ihren Bildern, die noch heute die Gaststube schmücken.

Filmtipp: Während des 19. Jahrhunderts zog es viele Landschafts­maler in das bayerische Unterinntal. Ein interessanter Beitrag aus der Sendung Zwischen Spessart und Karwendel des Bayerischen Rundfunks beleuchtet die produktive Zeit der Inntal-Maler. Die Spurensuche führt unter anderem nach Brannenburg und ins Höhlenhaus zum Weber an der Wand.

Niedergang und Wiederbelebung

Die Terrasse des Gasthauses besitzt ein mediterranes Flair.

Nach dem Tod von Christoph Schober im Jahr 1895 ging die mondäne Glanzzeit zu Ende. Die Besitzer wechselten häufig. Das Gebäude verfiel zusehends.
Als 1986 der Münchner Konrad Walser den Weber kaufte, befand sich das Gemäuer in einem sehr schlechten Zustand. Walser sanierte alles mit viel Eigen­leistung. Es folgte die Wieder­eröffnung des Gasthauses, das mehrere Jahr­zehnte von unter­schiedlichen Pächtern geführt wurde. Doch schließlich kam das Aus für das Traditions­gasthaus. Es ließ sich einfach kein Pächter mehr finden. Auch aus der Idee, ein kleines Museum einzu­richten, wurde bislang nichts. Es hat ja schon dasjenige im Burgtor kaum Besucher. Derzeit prüft die Rosenheimer Archivarin Ingeborg Armbrüster Möglichkeiten einer Reaktivierung.