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Via Raetia

Römerstraße durch die Alpen

Die Römerstraße von Norditalien über Brenner, Seefelder Sattel und Partenkirchen nach Augsburg wird heutzutage als Via Raetia bezeichnet. Kaiser Septimius Severus ließ die Strecke Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr. ausbauen. Die Via Raetia ist kürzer als die ältere Via Claudia Augusta und löste diese als wichtigste Straße durch die Provinz Rätien ab.
Stand:

Straßenverlauf

Römerstraße bei Klais zwischen Partenkirchen und Mittenwald. Ob die Spurrillen absichtlich angelegt wurden oder auf Abnutzung beruhen, ist umstritten. Ihre Breite von 107 Zentimetern entspricht einem gängigen Standard bei römischen Wagen.

Während der Regierungszeit von Kaiser Septimus Severus (193–211) und Caracalla (211–217) entstand auf Basis bereits bestehender Saumpfade und älterer Straßenreste die befestigte Staatsstraße Via Raetia. Sie führte über den Brenner nach Innsbruck und weiter über den Seefelder Sattel, Scharnitz, Partenkirchen und Saulgrub Richtung Augsburg.Diese neue Strecke bedeutete gegenüber der älteren Via Claudia Augusta über den Reschenpass eine Verkürzung von 70 Kilometern, was etwa drei Tagesetappen entsprach.Auch damals war Zeit also schon Geld. Außerdem konnten Truppen auf diese Weise schneller verlegt werden. Die Via Claudia Augusta und die Via Raetia trennten sich bei Bozen (Bauzanum / Pons Drusi) und trafen erst am Lech bei Epfach (Abodiacum) wieder zusammen. Zielpunkt beider Straßen war Augsburg (Augusta Vindelicum), die Hauptstadt der römischen Provinz Rätien.

Von der Römerstraße zur Rottstraße

Verlauf der Via Raetia von Trient nach Augsburg auf der Tabula Peutingeriana Sektion IV. Bei der Tabula Peutingeriana handelt es sich um die mittelalterliche Kopie einer römischen Straßenkarte. Datenquelle: Wikimedia Commons

Das Straßennetz überdauerte den Untergang des Römischen Reichs.Mehr als eineinhalb Jahrtausende blieb die Route der Via Raetia eine der wichtigsten Verkehrs­verbindungen durch die Alpen.Die Menschen verwendeten für die Straße allerdings nicht den lateinischen Begriff, sondern sprachen von der Unteren Straße in Abgrenzung zur Oberen Straße, der ehemaligen Via Claudia Augusta.
Aus den römischen Stützpunkten, wie beispielsweise Partenkirchen (Partanum), wurden Rottstationen, also Warenumschlags­plätze. Teilweise wich die mittelalterliche und neuzeitliche Rottstraße von der römischen Streckenführung ab. Sonst wäre das Teilstück bei Klais womöglich zerstört worden. Nicht römischen Ursprungs war auch der Abschnitt über den berüchtigten Kienberg nach Ettal und Oberammergau.

Bauweise römischer Straßen

Die Bauweise der Römerstraßen unterschied sich je nach Gelände. Im Gebirge verliefen sie oft über nackten Fels. Zur Überwindung von Mooren verwendete man Rundhölzer mit einer Kiesschüttung, wie bei der im Murnauer Moos ausgegrabenen römischen Holz-Kies-Straße der frühen Kaiserzeit.
Überwiegend bestanden die Straßen aus einem Fundament mit groben Steinen. Es reichte bis zu einem Meter tief in den Boden. Darüber folgten Kies und schließlich die Pflastersteine. Damit das Regenwasser ablaufen konnte, war die Straßendecke gewölbt und zu beiden Seiten gab es Regenrinnen. Dadurch waren die römischen Straßen bei jedem Wetter passierbar.
Dieses hohe technische Niveau des Straßenbaus wurde nach dem Ende des Römischen Reichs lange Zeit nicht mehr erreicht. Auf den Rottstraßen versanken die Fuhrwerke noch bis in die Neuzeit im Morast.

Exkurs zur Entstehung der Spurrillen

U-förmig ausgefahrene Spurrille an der römischen Geleisestraße zwischen Mittenwald und Klais.

Geleisestraßen mit Spurrillen im Felsuntergrund sind in den Alpen keine Seltenheit. So entdeckte der Heimatforscher Jürgen Proske 2010 unweit der Römerstraße bei Klais eine weitere Geleisestraße, allerdings mit einer geringeren Spurweite von 85 Zentimetern. Bei dieser handelt es sich um eine nachrömische Altstraße nach Wamberg.Die Frage, ob die Rillen mit der Zeit durch Abnützung entstanden oder absichtlich in den Fels geschlagen wurden, konnte bis heute nicht abschließend geklärt werden.Vermutlich kam beides vor. An steilen, gefährlichen Wegstrecken wurden die Spurrillen künstlich angelegt, damit die Fuhrwerke nicht ausbrechen konnten. Ob dies bereits in römischer Zeit geschah oder erst später, lässt sich heute nicht mehr in jedem Fall mit Gewissheit sagen. Ein wichtiger Anhaltspunkt bildet die Spurweite, weil die römischen Wagen, aber auch diejenigen der mittelalterlichen Rottfuhrwerke genormt waren. Durch die jahrhunderte­lange Befahrung vertieften sich die Spurrillen immer weiter. Eine natürliche Abnutzung erfolgt normalerweise ungleichmäßig, genau wie bei Schlaglöchern, die immer tiefer ausgefahren werden. Gut möglich also, dass man die Spurrillen öfters überarbeiten musste.