Schleifmühle
Teilmaschinelle Herstellung von Wetzsteinen
Die Herstellung von Sensenwetzsteinen fand seit Mitte des 19. Jahrhunderts teilmaschinell in speziell dafür entwickelten wasserbetriebenen Schleifmühlen statt. In mehreren Arbeitsgängen entstand aus dem Rohmaterial durch Schneiden, Zurechtschlagen und Schleifen die gewünschte elliptische Form. Zum mechanischen Schleifen verwendete man ein Gemisch aus Wasser und Sand, für den manuellen Feinschliff einen Schleifstein. Die Wetzsteinproduktion war insbesondere für die Orte Unterammergau und Ohlstadt ein wichtiger Wirtschaftszweig.
Stand:
Das Ausgangsmaterial

Wetzsteine werden aus kieseligen Sedimentgesteinen hergestellt.Die darin enthaltenen Quarzkristalle sorgen für die schärfende Eigenschaft.Geeignete Vorkommen existieren in den Bayerischen Alpen nur regional. Sie beschränken sich überwiegend auf die Gegend um Ohlstadt, Unterammergau, Halblech und Schwangau. Dort liegen die mergeligen Ammergauer Schichten aus dem Jura verbreitet vor. Wegen der darin häufig auftretenden Aptychen, den versteinerten Unterkiefern von Ammoniten, heißen sie auch Aptychenschichten. Innerhalb dieser geologischen Formation interessierten sich die Wetzsteinmacher für die dünnen Zwischenlagen aus fossilen Strahlentierchen, wissenschaftlich Radiolarien genannt. Das Skelett dieser Einzeller besteht nicht aus Kalk, sondern aus Siliziumdioxid und lieferte somit das Material für die schärfenden Quarzkristalle.
In geringerem Umfang wurden außerdem der Högler Quarzsandstein im Rupertiwinkel für die Produktion von Wetzsteinen verwendet. Bei Pessenbach nahe dem Kochelsee fand man im Rhenodanubischen Flysch ebenfalls kleinere Vorkommen kieseliger Sandsteine.
Aufbau einer Schleifmühle

Jahrhundertelang war die Herstellung von Wetzsteinen reine Handarbeit. Die elliptische Form wurde mit einem so genannten Beckhammer mühsam herausgearbeitet. Nur den letzten Feinschliff erhielten sie an einem Schleifstein.Durch die stetige Weiterentwicklung der Schleifmühlen im Verlauf des 19. Jahrhunderts konnte die Produktion erheblich gesteigert werden.Zu einer Mühle gehören mehrere Gebäude. Der kellerartige, aus Bruchsteinen aufgeschichtete Kalter diente der Lagerung des Ausgangsmaterials und der Rohlinge. In der Beckhütte kürzte man mit dem Beckhammer die Steine auf die richtige Länge und schlug die spitzen Enden grob zurecht. Das eigentliche Herzstück war die Stelzenhütte für das Zuschneiden mit Bandeisen und den gewölbten Zuschliff der Enden durch konkave Steinmodeln. Beide Vorgänge erforderten ein breiiges Gemisch aus Sand und Wasser. Den Sand bewahrte man in einem hölzernen Sandkasten auf. Am großen Schleifstein in der Schleifhütte fand der Feinschliff statt. Das Mühlrad trieb sowohl den Schleifstein als auch die Vorrichtungen in der Stelzenhütte an. Meist führten die Bäche nur während der Schneeschmelze oder bei Regenwetter ausreichend Wasser für den Betrieb der Mühlen. Das Becken geschah im Winter, die Steinbrucharbeiten erledigte man im Sommer.
Schleifmühle im Freilichtmuseum Glentleiten

Seit 1984 steht im Freilichtmuseum Glentleiten eine originale Schleifmühle mit Nebengebäuden aus Unterammergau. Sie war ein Geschenk der Gemeinde, welche den Unterhalt selbst nicht mehr bewerkstelligen konnte. Das Objekt gewährt einen guten Einblick in die komplexe Technik. Die zugehörige Ausstellung zeigt viele Gerätschaften und erläutert die einzelnen Arbeitsschritte.
Das Museum bildet übrigens zugleich den Ausgangspunkt für den liebevoll gestalteten mehrtägigen Themenweg Das Erbe der Wetzsteinmacher, der über Ohlstadt und Unterammergau bis Schwangau führt.
Schneiderla's Schleifmühle in der Schleifmühlklamm

Unterammergau bildete das Zentrum der bayerischen Wetzsteinproduktion mit mehreren Dutzend Steinbrüchen und bis zu 30 Mühlen an der Scherenauer Laine und der Schleifmühlenlaine. Entlang der Schleifmühlenlaine blieben einige ehemalige Mühlengebäude stehen. Sie werden weiterhin genutzt, als Freizeithäuschen, Geräteschuppe und sogar für die Turbine eines kleinen Wasserkraftwerks.Die Schneiderla's Schleifmühle ist die letzte noch an ihrem Originalstandort komplett erhaltene.Sie befindet sich auf dem Weg in die sehenswerte Schleifmühlklamm. Der Historische Arbeitskreis Unterammergau setzte sie zusammen mit der Gemeinde ehrenamtlich in Stand. Im Sommerhalbjar gibt es gelegentlich einen Tag der offenen Tür.
Rekonstruierte Schleifmühle in Ohlstadt

Ohlstadt ist wohl der älteste Wetzsteinmacherort Bayerns. Von dort gelangte das Wissen in den Ammergau. Laut den Infotafeln liefen dort zur Blütezeit bis zu 24 Schleifmühlen, unter anderem an der Kaltwasserlaine, dem Kaltenbach und dem Kropfbach. Überdauert hat davon keine einzige.
Um die Erinnerung an die Wetzsteinmacherei lebendig zu halten, errichteten die Ohlstädter von 2018–2022 an der Heimgartenstraße eine voll funktionsfähige Schleifmühle mit kleiner Freilichtausstellung. Sie kann jederzeit von außen besichtigt werden. Vorführungen finden von Mai bis Oktober jeweils am ersten Samstagnachmittag des Monats statt.
Von der Mühle verläuft über die Hagrainkapelle ein beschilderter Rundweg durch die Wetzsteinbrüche.
Das Ende der Wetzsteinmacherei
Das Handwerk der Wetzsteinmacher starb in Bayern in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Durch die Mechanisierung der Landwirtschaft kamen kaum mehr Sensen und Sicheln zum Einsatz, so dass auch keine Wetzsteine mehr benötigt wurden. In Ohlstadt schloss die letzte Schleifmühle 1953, in Unterammergau Anfang der 1960er Jahre.
Eine romantisierende nostalgische Betrachtung des Ganzen wäre unangebracht. Die Arbeit in den Brüchen war hart und sehr gefährlich. Durch Steinschlag und Rutschungen kam es nicht selten zu schweren Unfällen. Der Quarzstaub verursachte Lungenkrankheiten. Die Wetzsteinmacher hatten zwar ein einträgliches Auskommen, doch ihre Lebenserwartung war unterdurchschnittlich.