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Schleifmühle

Teilmaschinelle Herstellung von Wetzsteinen

Die Herstellung von Sensenwetzsteinen fand seit Mitte des 19. Jahr­hunderts teil­maschinell in speziell dafür entwickelten wasser­betriebenen Schleif­mühlen statt. In mehreren Arbeits­gängen entstand aus dem Roh­material durch Schneiden, Zurecht­schlagen und Schleifen die gewünschte elliptische Form. Zum mechanischen Schleifen verwendete man ein Gemisch aus Wasser und Sand, für den manuellen Fein­schliff einen Schleif­stein. Die Wetz­stein­produktion war insbesondere für die Orte Unter­ammergau und Ohlstadt ein wichtiger Wirtschaftszweig.
Stand:

Das Ausgangsmaterial

Aufgelassener Wetzsteinbruch bei Unterammergau.

Wetzsteine werden aus kieseligen Sediment­gesteinen hergestellt.Die darin enthaltenen Quarz­kristalle sorgen für die schärfende Eigenschaft.Geeignete Vorkommen existieren in den Bayerischen Alpen nur regional. Sie beschränken sich über­wiegend auf die Gegend um Ohlstadt, Unter­ammergau, Halblech und Schwangau. Dort liegen die mergeligen Ammergauer Schichten aus dem Jura verbreitet vor. Wegen der darin häufig auftretenden Aptychen, den versteinerten Unter­kiefern von Ammoniten, heißen sie auch Aptychen­schichten. Innerhalb dieser geologischen Formation interessierten sich die Wetz­stein­macher für die dünnen Zwischen­lagen aus fossilen Strahlen­tierchen, wissen­schaftlich Radiolarien genannt. Das Skelett dieser Einzeller besteht nicht aus Kalk, sondern aus Silizium­dioxid und lieferte somit das Material für die schärfenden Quarzkristalle.

In geringerem Umfang wurden außerdem der Högler Quarz­sandstein im Ruperti­winkel für die Produktion von Wetz­steinen verwendet. Bei Pessen­bach nahe dem Kochelsee fand man im Rheno­danubischen Flysch ebenfalls kleinere Vorkommen kieseliger Sandsteine.

Aufbau einer Schleifmühle

Gemälde einer Wetzsteinmühle bei Ohlstadt von Johann Georg von Dillis um 1820. Datenquelle: Bayerische Staatsgemäldesammlungen (CC BY-SA 4.0)

Jahrhundertelang war die Herstellung von Wetz­steinen reine Hand­arbeit. Die elliptische Form wurde mit einem so genannten Beck­hammer mühsam heraus­gearbeitet. Nur den letzten Fein­schliff erhielten sie an einem Schleifstein.Durch die stetige Weiter­entwicklung der Schleif­mühlen im Verlauf des 19. Jahr­hunderts konnte die Produktion erheblich gesteigert werden.Zu einer Mühle gehören mehrere Gebäude. Der keller­artige, aus Bruch­steinen aufgeschich­tete Kalter diente der Lagerung des Ausgangs­materials und der Rohlinge. In der Beckhütte kürzte man mit dem Beck­hammer die Steine auf die richtige Länge und schlug die spitzen Enden grob zurecht. Das eigentliche Herz­stück war die Stelzen­hütte für das Zuschneiden mit Band­eisen und den gewölbten Zuschliff der Enden durch konkave Stein­modeln. Beide Vorgänge erforderten ein breiiges Gemisch aus Sand und Wasser. Den Sand bewahrte man in einem hölzernen Sandkasten auf. Am großen Schleif­stein in der Schleif­hütte fand der Fein­schliff statt. Das Mühl­rad trieb sowohl den Schleif­stein als auch die Vorrich­tungen in der Stelzen­hütte an. Meist führten die Bäche nur während der Schnee­schmelze oder bei Regen­wetter ausreichend Wasser für den Betrieb der Mühlen. Das Becken geschah im Winter, die Stein­bruch­arbeiten erledigte man im Sommer.

Schleifmühle im Freilichtmuseum Glentleiten

Kalter, Sandkasten und Beckhütte an der Schleif­mühle im Freilicht­museum Glentleiten.

Seit 1984 steht im Freilichtmuseum Glentleiten eine originale Schleif­mühle mit Neben­gebäuden aus Unter­ammergau. Sie war ein Geschenk der Gemeinde, welche den Unter­halt selbst nicht mehr bewerk­stelligen konnte. Das Objekt gewährt einen guten Einblick in die komplexe Technik. Die zugehörige Ausstellung zeigt viele Gerät­schaften und erläutert die einzelnen Arbeits­schritte.
Das Museum bildet übrigens zugleich den Ausgangs­punkt für den liebevoll gestalteten mehr­tägigen Themenweg Das Erbe der Wetzstein­macher, der über Ohlstadt und Unterammergau bis Schwangau führt.

Schneiderla's Schleifmühle in der Schleifmühlklamm

Die Bearbeitungsstufen vom Rohling zum fertigen Wetzstein.

Unterammergau bildete das Zentrum der bayerischen Wetz­stein­produktion mit mehreren Dutzend Stein­brüchen und bis zu 30 Mühlen an der Scheren­auer Laine und der Schleif­mühlen­laine. Entlang der Schleif­mühlen­laine blieben einige ehemalige Mühlen­gebäude stehen. Sie werden weiterhin genutzt, als Freizeit­häuschen, Geräte­schuppe und sogar für die Turbine eines kleinen Wasser­kraft­werks.Die Schneiderla's Schleifmühle ist die letzte noch an ihrem Original­standort komplett erhaltene.Sie befindet sich auf dem Weg in die sehens­werte Schleif­mühl­klamm. Der Historische Arbeits­kreis Unter­ammergau setzte sie zusammen mit der Gemeinde ehren­amtlich in Stand. Im Sommer­halbjar gibt es gelegentlich einen Tag der offenen Tür.

Rekonstruierte Schleifmühle in Ohlstadt

Blick in die Schleifhütte der 2022 fertig­gestellten Schleifmühle in Ohlstadt mit dem großen Schleif­stein für den finalen Feinschliff der Wetzsteine.

Ohlstadt ist wohl der älteste Wetzstein­macher­ort Bayerns. Von dort gelangte das Wissen in den Ammergau. Laut den Info­tafeln liefen dort zur Blüte­zeit bis zu 24 Schleif­mühlen, unter anderem an der Kalt­wasser­laine, dem Kalten­bach und dem Kropfbach. Überdauert hat davon keine einzige.
Um die Erinnerung an die Wetzstein­macherei lebendig zu halten, errichteten die Ohlstädter von 2018–2022 an der Heimgarten­straße eine voll funktions­fähige Schleif­mühle mit kleiner Freilicht­aus­stellung. Sie kann jeder­zeit von außen besichtigt werden. Vorführungen finden von Mai bis Oktober jeweils am ersten Samstag­nach­mittag des Monats statt.
Von der Mühle verläuft über die Hagrain­kapelle ein beschilderter Rundweg durch die Wetzsteinbrüche.

Das Ende der Wetzsteinmacherei

Das Handwerk der Wetzsteinmacher starb in Bayern in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Durch die Mechanisierung der Land­wirt­schaft kamen kaum mehr Sensen und Sicheln zum Einsatz, so dass auch keine Wetzsteine mehr benötigt wurden. In Ohlstadt schloss die letzte Schleifmühle 1953, in Unter­ammergau Anfang der 1960er Jahre.
Eine romantisierende nostalgische Betrachtung des Ganzen wäre unangebracht. Die Arbeit in den Brüchen war hart und sehr gefährlich. Durch Steinschlag und Rutschungen kam es nicht selten zu schweren Unfällen. Der Quarzstaub verursachte Lungen­krank­heiten. Die Wetzstein­macher hatten zwar ein einträgliches Auskommen, doch ihre Lebens­erwartung war unterdurch­schnittlich.