Kugelmühle
Technik zur Herstellung von Steinkugeln
In Kugelmühlen werden grob behauene Bruchsteine oder Bachkiesel zu daumen- bis faustgroßen Steinkugeln verarbeitet. Die wasserbetriebenen Mühlen bestehen aus einem unbeweglichen Schleifstein, auf dem ein hölzerner Läufer die Rohlinge im Kreis bewegt. Konzentrische Rinnen auf der Läuferunterseite bestimmen die Kugelgröße. Ursprünglich fanden die Kugel vor allem als Schiffsballast und als Geschosse Verwendung, heute erfüllen sie nur noch dekorative Zwecke.
Stand:
Geschichte

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Die Technik des Steinkugelmahlens gelangte im 16. Jahrhundert von Franken ins Berchtesgadener und Salzburger Land. Die Gegend bot ideale Bedingungen. Es gibt zahllose Wildbäche mit starkem Gefälle und große Vorkommen an geeigneten Gesteinen. Die harten Quarzsandsteine für die Schleifer der Mühlen kamen vom Högl im Rupertiwinkel, die bunten Kalksteine für die Kugeln aus den Marmorsteinbrüchen oder den Bächen.
Die Errichtung einer Kugelmühle erfolgte meist ohne behördliche Bewilligung. Der Bau war aufwändig und erforderte handwerkliches Geschick. Für die Schleifsteine entstanden erhebliche Kosten. Da Kugelmühlen nur geringe Erträge abwarfen, wurden sie als Nebenerwerb betrieben. Bei Trockenheit oder im Winter standen sie still. Trotz gelegentlicher Beschwerden von Seiten der Fischer kam es in Salzburg erst 1797 zu einer Regulierung des Gewerbes.Zeitweise existierte eine regelrechte frühindustrielle Massenproduktion mit Millionen Stück jährlich.Die Steinkugeln avancierten zum Exportschlager, vor allem die kleinen Datscher, heute meist Klucker oder Schusser genannt, aber auch die größeren Pecker. Über Norddeutschland wurden sie hauptsächlich in die Niederlande und nach England verkauft. Von dort gelangten sie im Bauch der Handelsschiffe als Ballaststeine in ferne Länder, wo man sie vermutlich als Schmuckstücke und Spielzeug weiterverkaufte. Für gewöhnliche Ballaststeine wäre das aufwändige Rundschleifen unnötig gewesen. Ein weiterer Vorteil war, dass man mit den Steinkugeln auch die Schiffskanonen bestücken konnte.
Die Blütezeit der Kugelmühlen bestand vom 17. bis zum 18. Jahrhundert. Danach gaben die meisten Kugelmüller wegen der zu hohen Besteuerung und der nachlassenden Nachfrage auf.
Ballast gleicht fehlende Ladung aus. Das ist notwendig, um ein Schiff zu stabilisieren und den idealen Tiefgang zu erreichen. Früher wurden dazu Sand und Steine verwendet. Schiffe, die im Ballast fahren, müssen diesen vor dem Beladen im Hafen loswerden. Die Entsorgung im Hafenbereich war aber oft verboten, weil das die Schiffbarkeit beeinträchtigen konnte. Verkaufbarer Ballast in Form von Steinkugeln bot da einen großen Vorteil.
Aufbau und Funktionsweise

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Bei einer Kugelmühle handelt es sich technisch um eine Horizontalmühle, bei der das Wasserrad waagerecht liegt. Der Aufbau ist recht einfach.Auf einem fixen Quarzsandstein, dem Schleifer, dreht sich der Läufer.Der Läufer bewegt die Rohlinge dabei im Kreis und wetzt sie am Schleifer rund. Je nach Größe und Härte verbleiben die Steine bis zu vier Tage in der Mühle.
Konzentrische Rinnen im Läufer und Schleifer bestimmen die Kugelgröße. Während die Rinnen im Läufer mit einem Rundeisen manuell eingekerbt werden, entstehen diejenigen im Schleifer laut Freudlsperger erst durch den vorbereitenden Mahlvorgang mittels einer Metallkugel. Durch den Gebrauch vertiefen sich die Rinnen im Schleifer mit der Zeit so stark, dass die Ränder immer wieder niedriger geschlagen werden müssen.

Der ältere Bautyp ist die Grindelmühle. Bei ihr wird der Läufer von einem separaten Schaufelrad angetrieben. Dagegen sind bei der späteren Angelmühle die Schaufeln direkt am Läufer montiert. Eine bewegliche Stange (Angel) in der Mitte verbindet Schleifer und Läufer.
Zu einer Anlage gehören normalerweise mehrere Mühlgänge für unterschiedliche Kugelgrößen und ein Reißer, in dem die würfelförmigen Rohlinge zunächst grob zugeschliffen werden. Für den Reißer kommen abgenutzte und ansonsten nicht mehr brauchbare Schleifsteine zum Einsatz. Zu jedem Mühlgang führt ein offenes Gerinne oder eine Deichelleitung.
Filmtipp: Vom Bayerischen Rundfunk gibt es ein interessantes altes Filmdokument aus dem Jahr 1963 über die Letzte Kugelmühle in Berchtesgaden, also derjenigen an der Almbachklamm. Der kurz Beitrag erklärt sehr anschaulich, wie die traditionelle Herstellung der Marmorkugeln funktioniert.
Verwendete Gesteine

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Zunächst einmal müssen die verwendeten Gesteine deutlich weicher als der Schleifstein sein, aber auch nicht zu weich, sonst zerbröseln sie.
Neben schlichten Kugeln aus gewöhnlichen Sand- und Kalksteinen produzierte man schon immer auch solche aus marmorähnlichen Gesteinen, gerne mit versteinerten Korallen oder anderen Fossilien. Diese erzielten einen deutlich höheren Preis. Besonders schöne Kugeln entstehen aus einigen bunten Kalkgesteinen der Berchtesgadener und Salzburger Alpen, wie dem Nummulitenkalk, dem Untersberger Marmor oder dem Adneter Marmor.Marmor ist in diesem Zusammenhang ein historischer, kein geologischer Begriff. Echter metamorpher Marmor ist weder der Untersberger noch der Adneter.Was in den Marmorbrüchen als Abfall anfällt, kann in den Kugelmühlen noch verwertet werden. Das Sammeln von Bruchstücken in den Steinbrüchen war den Kugelmüllern früher explizit abgabenfrei gestattet, ebenso natürlich das Auflesen von Kieseln an Bächen und Flüssen. Durch die vielen unterschiedlichen Gesteinsarten, die von den Alpenflüssen transportiert werden, besitzen die daraus hergestellten Kugeln einen besonderen Reichtum an Farben und Musterungen.
Standorte funktionsfähiger Mühlen

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- Die bekannteste und älteste Kugelmühle Deutschlands befindet sich zwischen Berchtesgaden und Marktschellenberg am Eingang zur Almbachklamm. Dort gibt es auch einen Verkaufsstand.
- Museale Mühlen kann man im Chiemgauer Naturkunde- und Mammut-Museum Siegsdorf sowie im Fürstenbrunner Untersbergmuseum bei Gröding besichtigen.
- Die Kugelmühle im Teufelsgraben in der Gemeinde Seeham am Obertrumer See im Flachgau wurde 1983 auf historischem Boden neu errichtet. Eine Besichtigung ist jederzeit möglich. Für die Kugeln gibt es mehrere Verkaufsstellen.
- Im Allgäu kennt man die Tradition des Steinkugelmahlens eigentlich nicht. Die Steinkugelmühle in der Höllschlucht bei Kappel nahe Pfronten wurde aus rein touristischen Gründen erbaut. Gelegentlich finden Vorführungen statt. Die Resultate können am Waldseilgarten erworben werden.
Exkurs: Kugelmühlen in der Archäologie
Nach Aufgabe einer Kugelmühle verblieben die schweren Schleifer meist im Bachbett, während die hölzernen Bauteile schnell vermorschten, verrotteten und weggespült wurden. Hochwasserereignisse legen öfters Schleifer frei. Es liegen wohl noch Hunderte davon in den Bächen. Die Reste von Kugelmühlen sind schützenswerte Bodendenkmäler. Leider werden immer wieder Fundstellen unrechtmäßig geplündert und damit unwiederbringlich zerstört.Ein aus seinem Zusammenhang gerissenes Objekt ist archäologisch wertlos.Möglicherweise noch verbliebene Holzreste für eine dendrochronologische Altersbestimmung gehen verloren.
Trotz der nur sehr regionalen Bedeutung hat die Archäologie mittlerweile die Kugelmühlen für sich entdeckt. Im oben bereits erwähnten Teufelsgraben bargen der Archäologe Claus-Stephan Holdermann und der Kugelmüller Paul Herbst zwei Schleifer. Anhand von Keramikscherben aus dem Umfeld konnte die Mühle auf das 16. Jahrhundert datiert werden.