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Franzosensteig

Erinnerung an den Dritten Koalitionskrieg

Im Jahre 1805 gelangten französische Truppen mit Hilfe orts­kundiger Mitten­walder über den Franzosen­steig nach Tirol, wo sie die Leutascher Schanz in einem Hand­streich eroberten. Bayern kämpfte damals im Dritten Koalitions­krieg an der Seite Napoleons gegen Österreich. Das Werden­felser Land gehörte bereits zu Bayern.
Stand:

Lage zwischen Mittenwald und der Leutasch

Dieser Kartenausschnitt aus der Ersten Landes­aufnahme Tirols (1801–1805) zeigt, dass das Alpl am Franzosen­steig westlich des Grün­kopfs liegt, das Halsel aber östlich davon. Datenquelle: Land Tirol (CC BY 4.0)

Der Franzosensteig, ursprünglich Alplsteig genannt, ist ein schmaler alpiner Übergang am östlichen Ausläufer des Wetter­stein­gebirges bei Mittenwald.Er führt vom Ferchensee in Bayern über den Sattel zwischen den Wetterstein­spitzen und dem Grünkopf in das Tiroler Leutaschtal.Ein Stück verläuft er entlang der Landes­grenze. Auf alten Karten ist oben am Sattel ein Alpl mit Block­haus eingetragen. Diese Hackl-Alpe gehörte vermutlich zu Leutasch. Der Alplsteig wurde außer­dem zur Grenz­sicherung sowie von Jägern und Holz­knechten genutzt. Zweifel­los war er auch eine Schmuggel­route, weil er in manchen Quellen als Kontreband­steig oder Schwärzer­steig auftaucht. Heute ist der Franzosen­steig ein beliebter, relativ einfacher Wanderweg.

Auf der Ostseite des Grünkopfs, nahe der Eder­kanzel, existiert noch ein weiterer alter Über­gang. Man kann auf diesem Weg von der Leutasch­klamm zur Eder­kanzel wandern. Früher hieß dieser von der Tiroler Landes­verteidigung befestigte Grenz­punkt Halsl. Der Weg am Halsl wird öfters mit dem Franzosen­steig verwechselt, weil beide für Truppen­einfälle nach Tirol genutzt wurden.

Geschichtliche Hintergründe

Reste des Torbaus der Leutascher Schanz.
Bis ins Jahr 1802 gehörte das Werdenfelser Land nicht zu Bayern, sondern war eine reichs­unmittel­bare Grafschaft im Besitz des Hoch­stifts Freising. Verwaltet wurde die Grafschaft von einem Pfleger, der seinen Amtssitz auf der Burg Werden­fels hatte. Obwohl die Grafschaft ein friedliches Land war, geriet sie mehr­fach bei über­regionalen Konflikten zwischen die Fronten.
Im 17. Jahrhundert drangen schwedische Truppen während des Dreißig­jährigen Kriegs bis Süd­bayern vor. Angesichts dieser Bedrohung ließ die Tiroler Landes­fürstin Claudia von Medici den Grenz­ort Scharnitz befestigen. Die nach ihr benannte Porta Claudia entstand auf Werden­felser Gebiet, was dort für großen Unmut sorgte. Um zu vermeiden, dass Scharnitz über das Leutasch­tal umgangen werden konnte, errichtete man zusätzlich die Leutascher Schanz. Ein schwedischer Angriff erfolgte letztlich nicht.

Die Ereignisse von 1703 im Spanischen Erbfolgekrieg

Zu Beginn des Spanischen Erbfolgekriegs fiel der bayerische Kurfürst Max Emanuel zusammen mit franzö­sischen Truppen über Kufstein in Tirol ein. Nach anfäng­lichen Erfolgen scheiterte er unter hohen Verlusten am Brenner und musste sich auf Grund eines allgemeinen Aufstands gezwungener­maßen wieder aus Tirol zurück­ziehen. Er nahm dabei Anfang August den Weg über Mitten­wald. Dort hatten bayerische Truppen die Leutascher Schanz kampflos einge­nommen, dann aber wieder verloren. Bei der Rück­eroberung half der Jäger Adam Schöttl, der zwei Jahre später als Anführer der Gebirgs­schützen an der Sendlinger Mord­weihnacht beteiligt sein sollte.Adam Schöttl leitete die bayerischen Truppen, denen sich auch zahl­reiche der eigentlich neutralen Mitten­walder angeschlossen hatten, über das Halsl.Dieser Angriff erfolgte also nicht über den Alplsteig, den heutigen Franzosen­steig! Weil in Innsbruck während­dessen immer mehr Soldaten eintrafen, gab der truppen­mäßig unter­legene Max Emanuel die Festungen bald endgültig auf, ließ die Porta Claudia sprengen und zog am 22. August Richtung München ab.

Die Ereignisse von 1805 in den Napoleonischen Kriegen

Kartenausschnitt von Leutasch aus der Dritten Landes­aufnahme Tirols (1870–1887). Der hier bereits als Franzosen­steig eingezeichnete Über­gang führt von hinten an die Schanz. Datenquelle: Land Tirol (CC BY 4.0)

Ein Jahrhundert nach dem Spanischen Erb­folge­krieg kämpfte Bayern im Dritten Koalitions­krieg erneut an der Seite Frank­reichs gegen die Habs­burger­monarchie. Im November 1805 marschierten französische Truppen gegen Tirol und griffen die Porta Claudia an. Die eigentlich aus Kosten­gründen bereits still­gelegte Festung war von den Österreichern reaktiviert worden.
Mehrere Hundert Mann bewachten die Leutascher Schanz. Zum Alpl hatte man aller­dings lediglich 24 Mann hinauf­geschickt. Weitere 14 hielten den Grünkopf besetzt. Diese schwache Verteidigung machten sich die in Mittenwald lagernden Franzosen zu Nutze.Unter Führung ortskundiger bayerischer Förster stiegen mehrere Tausend Franzosen einer hinter dem anderen am 4. November bei winterlichen Bedingungen vom Ferchen­see über die Weiße Wand zum Alpl auf.Zwar bemerkte der Posten auf dem Grünkopf den Aufmarsch und meldete es an die Leutascher Schanz, doch der komman­dierende Major Kraus wollte keine Verstärkung zum Alpl schicken. Die wenigen Verteidiger konnten den Sattel trotz ihrer günstigen Position nicht lange halten. So drangen die Franzosen schnell in die Leutasch vor und griffen die Schanze von hinten an.
Nach einem mehrstündigen Gefecht kapitulierte die Besatzung der Leutascher Schanz vor der französischen Übermacht. Weil dadurch das Hinterland der Porta Claudia offen war, wurde auch dort die weiße Fahne gehisst. Wenige Tage später, am 7. November, fiel Inns­bruck. Der Krieg war für Österreich verloren.
Für die Tiroler war der Alplsteig fortan der Franzosensteig. In bayerischen Karten tauchte er noch eine Zeit lang falsch geschrieben als Eiblesteig auf.